Lula auf Kurs
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Lula da Silva (Archivbild)
Brasiliens Präsident wird 80 - und für vierte Amtszeit gehandelt
Salvador da Bahia (epd).

Als Luiz Inácio Lula da Silva oder Lula, wie er seit Kindertagen genannt wird, am 27. Oktober 1945 im Hinterland des Bundesstaates Pernambuco in einer Hütte mit Lehmboden geboren wurde, war nicht zu erahnen, dass er einmal die Politik seines Landes prägen würde. Die Eltern waren Analphabeten, der Vater hielt Schulbildung für überflüssig. Essen gab es an vielen Tagen keines, Hoffnung hingegen immer. „Diese Hoffnung prägt mich bis heute“, sagte der Politiker in seinen Lebenserinnerungen.

Die Hoffnung auf ein besseres Leben brachte seine Mutter mit acht Kindern nach São Paulo, die größte Stadt Südamerikas. Dort arbeitete Lula im Alter von acht Jahren als Schuhputzer. Mit 14 Jahren fand der Jugendliche den ersten festen Job in einem Büro. Ein Jahr später unterschrieb er bei einem Schraubenhersteller, wo er auch den Schulabschluss und eine Ausbildung als Dreher machte. Stolz sagte er über die Zeit: „Ich war der erste Sohn meiner Mutter, der eine Ausbildung hatte.“ Jahre später sollte er als erster Politiker der Arbeiterpartei ins Präsidentenamt gewählt werden.

Raue Stimme mit leichtem Lispeln

Doch zuerst wurde der charismatische junge Mann Gewerkschafter. Er kannte die Probleme der Arbeiter. Als er 30 Jahre alt war, wählten die Genossen ihn zu ihrem Gewerkschaftsführer. Damals wurde seine raue Stimme mit dem leichten Lispeln zum Markenzeichen. Als ab 1978 in den ABC genannten Städten im Südosten der Metropole (Santo André, São Bernardo do Campo und São Caetano do Sul) zunächst spontane und später organisierte Arbeitsniederlegungen stattfanden, die den Demokratisierungsprozess entschieden beschleunigten, kam seine Chance. Lula führte die Metallarbeiter entschlossen in die Streiks und wurde bald zum Gesicht des Arbeiteraufstandes gegen die Militärdiktatur.

Zum Ende der Diktatur half Lula, die Arbeiterpartei PT zu gründen und engagierte sich für Direktwahlen. Im zweiten Anlauf wurde er Abgeordneter und Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung. Er sprach sich unter anderem für das Streikrecht, für Abfindungszahlungen bei Kündigung, die Reduktion von der 44- auf die 40-Stunden-Woche und für die Agrarreform aus.

In vier Anläufen zum Präsidentenamt

Die Kandidatur für das Präsidentenamt war die logische Fortsetzung seiner Karriere. Doch vielen erschien der Linke zu radikal, und Lula schaffte es erst im vierten Anlauf, 2002. Dieses Mal hatte der Vater von fünf Kindern weniger radikale Positionen vertreten und den Kampf gegen den Hunger zum Hauptthema erklärt. Um effektiv regieren zu können, ging er ein Bündnis mit Parteien aus der politischen Mitte und Mitte-Rechts ein, was ihm Kritik einbrachte. Der Korruptionsskandal "Mensalão”, ein System, bei dem Abgeordnete bezahlt wurden, damit sie für die Vorschläge der Regierung stimmten, brachte die PT erneut unter Beschuss. Doch Lula war selbst nicht angeklagt und beharrte auf seiner Unschuld.

In die zweite Amtszeit wählten die Brasilianer ihn 2006 trotz der Skandale mit mehr als 60 Prozent der Stimmen. Im Rahmen der Anti-Korruptionsoperation „Lava Jato“ wurde auch Lula angeklagt. Hintergrund war, dass Unternehmen Aufträge für den halbstaatlichen Erdölgiganten Petrobras zu überhöhten Preisen ausgeführt hatten, Millionenbeträge flossen in die Taschen von Petrobras-Mitarbeitern, Politikern und in Parteikassen. Trotzdem lag Lulas Zustimmungsrate nach vier Jahren bei 87 Prozent. Seine Sozialprogramme waren extrem erfolgreich. Millionen Brasilianer entkamen der Armut, das Bruttosozialprodukt verdreifachte sich, Schwarze besuchten die Universitäten, Hausangestellte bekamen Arbeitsrechte. Lula wurde für viele Brasilianerinnen und Brasilianer zur Ikone.

„Habe Energie wie mit 30“

Während der Amtszeiten seiner Nachfolgerin Dilma Roussef blieb er als Berater und Vortragsredner aktiv. 2018 wurde er kurz vor dem Wahlkampf im Rahmen des Korruptionsprozesses Lava Jato zu einer Gefängnisstrafe von zwölf Jahren verurteilt. So konnte er nicht gegen den ultrarechten Jair Bolsonaro antreten. Als 2021 der Oberste Gerichtshof den leitenden Richter für befangen erklärte und das umstrittene Urteil annullierte, empfingen den Politiker begeisterte Menschenmassen.

Der Weg war frei, um bei der Präsidentschaftswahl 2022 gegen Bolsonaro anzutreten. Im zweiten Wahlgang siegte Lula, der kurz zuvor seine dritte Ehefrau Janja geheiratet hatte. Seitdem regiert er mit einem von der Rechten dominierten Kongress. Seine Beliebtheitswerte stiegen kürzlich enorm, als er sich entschlossen gegen US-Präsident Donald Trump wandte, der Strafzölle von 50 Prozent gegen Brasilien verhängt hatte.

Ans Aufhören denkt Lula vorerst nicht. Während einer Reise nach Indonesien kündigte er an, 2026 erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren. „Ich werde jetzt 80, habe aber die gleiche Energie wie mit 30“, zitierte ihn die Zeitung „Folha de Sao Paulo“. Sollte er sich erneut durchsetzen, wäre Lula der erste demokratisch gewählte Präsident Brasiliens, der eine vierte Amtszeit erreicht.

Von Christine Wollowski (epd)