Hervé Yapo redet sich regelrecht in Rage, während er auf die roten Rücklichter der Autos im Stau vor ihm blickt: „Dieses Land ist keine Demokratie! Nichts kann gesagt werden, ohne dass es gefährlich wird“, schimpft er. Yapo fährt Taxi, um sein Geld zu verdienen. Allerdings ist die Kundschaft wegen der Präsidentschaftswahl, die am 25. Oktober in der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire) ansteht, zurückgegangen. Wer kann, hat die Wirtschaftsmetropole Abidjan verlassen. Eine Vorsichtsmaßnahme, denn die Sorge ist groß, dass es zu Gewalt kommen könnte.
Seit der Sperrung der beiden wichtigsten Oppositionskandidaten, dem Banker Tidjane Thiam und Ex-Präsident Laurent Gbagbo, ist die Stimmung in dem westafrikanischen Küstenstaat hochgradig angespannt. Thiam wurde seine französisch-ivorische doppelte Staatsangehörigkeit zum Verhängnis, Gbagbo darf wegen einer früheren Verurteilung nicht antreten. Trotz noch vier verbliebenen Gegenkandidatinnen und -kandidaten geht Präsident Alassane Ouattara dadurch mehr oder weniger konkurrenzlos ins Rennen.
Vom Bürgerkriegsland zum Wachstumsmotor
Seit dem Amtsantritt Ouattaras 2010 hat sich die Elfenbeinküste vom Bürgerkriegsland zu einem Wachstumsmotor Westafrikas gemausert. Infrastrukturprojekte, Investitionen in Energie und Transport sowie eine deutliche Verbesserung der öffentlichen Finanzen kann sich der heute 83-Jährige auf die Fahne schreiben. Dem wirtschaftlichen Wachstum aber steht eine immer autoritärere Regierungsführung gegenüber.
Dies zeigt sich besonders vor der Wahl: Proteste gegen die Ausschlüsse der Oppositionskandidaten wurden rigoros unterdrückt, Demonstrationen aufgelöst, Aktivisten und Journalisten eingeschüchtert. Seit dem 11. Oktober sind nach Angaben von Generalstaatsanwalt Oumar Braman Koné mehr als 700 Menschen festgenommen worden. Mehr als 80 Demonstrierende wurden bereits wegen Störung der öffentlichen Ordnung zu drei Jahren Haft verurteilt, Dutzende weitere sollen noch vor Gericht gestellt werden. Die Signale sind klar: Wer trotz des Demonstrationsverbots protestiert, wird die Konsequenzen spüren.
Frust über Wahlausschluss Gbagbos
Ob Hervé Yapo am Samstag auf die Straßen gehen wird, lässt er offen. In seinem Viertel aber, in Yopougon, wird es knallen, da ist er sich sicher. Yopougon, einer der bevölkerungsreichsten und größten Bezirke im Südwesten Abidjans, gilt als Hochburg Gbagbos. Der Frust über seinen Wahl-Ausschluss ist hier besonders groß. Ouattara sei ein Präsident für die Reichen, schimpft Yapo. Der Präsident hatte 2024 unter anderem ohne Genehmigung errichtete Häuser in Armenvierteln zerstören lassen und damit tausende Menschen obdachlos gemacht.
Vom wirtschaftlichen Wachstum des Landes hat die breite Bevölkerung nicht profitiert - die steigenden Lebenshaltungskosten spüren zugleich vor allem die Armen. Gbagbo wäre an ihrer Seite, ist Yapo überzeugt. Dass Gbagbos Weigerung, Ouattara nach den Wahlen 2010 als Sieger anzuerkennen, blutige Auseinandersetzungen mit über 3.000 Toten ausgelöst hat, sieht der Taxifahrer nicht. „Den Haag hat bewiesen, dass er unschuldig ist“, sagt er und kündigt an, die Wahlen zu boykottieren.
Keine Verurteilung in Den Haag
2011 wurde Laurent Gbagbo vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der Gewalt nach der Wahl angeklagt. Doch die Beweislage reichte für eine Verurteilung nicht aus, weswegen er 2019 freigesprochen wurde. Ein Urteil, das Gbagbo für eine triumphale Rückkehr nutzte.
Seine Ex-Frau, Simone Gbagbo von der MGC-Partei, geht als Herausforderin Ouattaras ins Rennen um die Präsidentschaft. Auch sie war in Den Haag angeklagt, doch die Regierung Ouattaras stellte sie stattdessen vor ein ivorisches Gericht. 2015 wurde sie zu 20 Jahren Haft verurteilt, 2018 dann begnadigt.
Gut 8,7 Millionen Wählerinnen und Wähler sind am 25. Oktober an die Urnen gerufen. „Ob es zu Gewalt kommt, ist die große Frage, die sich jeder stellt“, sagt Abdoulaye Diarra von Amnesty International. „Die Regierung hat jedenfalls Vorkehrungen getroffen, damit es nicht dazu kommt.“ 44.000 Soldaten und Polizisten werden laut der Armeeführung im Einsatz sein. Die „Operation Esperance“ soll Ruhe garantieren - und schüchtert ein.