Aufnahmen zeigen sie oft auf Ladeflächen von Pickups oder Bühnen in kämpferischer Haltung. Die venezolanische Oppositionelle Maria Corina Machado sei eine mutige und engagierte Verfechterin des Friedens, urteilte das norwegische Nobelkomitee und sprach ihr am 10. Oktober den diesjährigen Friedensnobelpreis zu. Doch derzeit ist sie bei Interviews und Botschaften vor weißen Wänden zu sehen. Denn die 58-Jährige lebt seit über einem Jahr im Untergrund.
„Den Mund aufzumachen und die Wahrheit zu sagen, hat in Venezuela viele Konsequenzen“, sagte sie im Interview mit dem kolumbianischen Nachrichtensender NTN24 zu ihrem Geburtstag am 7. Oktober und verwies auf inhaftierte und verfolgte Mitstreiter. Für die Venezolanerinnen und Venezolaner sei es gefährlich, anzuerkennen, in welchem Zustand sich ihr Land befinde. „Denn es ist nicht möglich, zu kämpfen, ohne ein existenzielles Risiko einzugehen.“ Das Land wird seit 2013 von Nicolás Maduro regiert, der immer brutaler gegen die Opposition vorgeht.
Kampagne gegen Präsidentschaftskandidatur
Maria Corina Machado, die älteste von vier Töchtern eines Unternehmers, gründete bereits 1992 eine Stiftung zur Unterstützung von Straßenkindern. Zehn Jahre später war die studierte Ingenieurin Mitbegründerin des Vereins Súmate („schließ dich an“), der sich für freie und faire Wahlen einsetzt. 2010 wurde sie in die Nationalversammlung gewählt - ein Amt, aus dem sie 2014 aus fadenscheinigen Gründen von der Regierung Maduro enthoben wurde. In den folgenden Jahren gründete sie eine Oppositionspartei und beteiligte sich an einem Netzwerk oppositioneller Kräfte.
2023 kündigte sie ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Jahr darauf an und schaffte es, die traditionell zerstrittene Opposition zu einen: Bei den Vorwahlen erhielt sie über 90 Prozent der Stimmen. Doch damit begann eine beispiellose Kampagne der Regierung Maduro gegen sie.
Die regierungsnahe Justiz belegte sie mit einem 15-jährigen Ämterverbot wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten während ihrer Zeit als Abgeordnete. Dennoch tourte sie durch das ganze Land, um für den Ersatzkandidaten, den bis dahin fast unbekannten und aus dem Ruhestand geholten Edmundo González zu werben. Überall, wo sie auftauchte, wurde sie mit Jubel begrüßt. Die schmale Frau mit den schulterlangen, braunen Haaren zeigte sich nahbar, umarmte Anhängerinnen und Anhänger. Fast immer musste ihr Wahlkampftross Umwege fahren: Baumstämme, plötzliche Baustellen oder Checkpoints versperren den Weg.
Todesdrohungen und Haftbefehl
Bei wochenlangen Protesten nach der Wahl, bei der sich Maduro zum Sieger erklärte, kamen Dutzende Menschen ums Leben und Hunderte Demonstrierende wurden verletzt. Mehr als 2.000 Regierungskritiker wurden festgenommen. Todesdrohungen und ein Haftbefehl führten schließlich dazu, dass Machado abtauchte und nur noch ganz selten öffentlich auftritt. Dass sie dennoch im Land blieb, sei „eine Entscheidung, die Millionen von Menschen inspiriert hat“, sagte der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Jorgen Watne Frydnes. Sie hüte die „Flamme der Demokratie“ in Zeiten zunehmender Dunkelheit.
Machado zufolge gibt es derzeit 841 politische Gefangene und 50 Verschwundene in Venezuela. „Wenn sie einen angreifen, greifen sie uns alle an“, sagte sie im Interview zu ihrem Geburtstag. Sie habe alle nötigen Vorkehrungen getroffen, um sich zu schützen. Aber ihr Team habe klare Anweisungen: „Niemals wird die Freiheit Venezuelas verhandelt, um an meiner Situation etwas zu ändern.“
Machado ist erst die 20. Frau, die mit dem höchsten Preis für Verdienste um Abrüstung, Friedenssicherung und Menschenrechte ausgezeichnet wurde. Sie habe gezeigt, „dass die Mittel der Demokratie auch die Mittel des Friedens sind“, erklärte Frydnes. Als sie von der Auszeichnung erfährt, verweist sie auf die gesamte Opposition. „Ich hoffe, sie verstehen, dass das hier eine Bewegung ist, der Verdienst einer ganzen Gesellschaft“, sagt sie im Telefonat mit dem Direktor des Nobel-Institutes, Kristian Berg Harpviken.
„Wir werden sie verscheuchen, Maduro wird gehen“, zeigte sie sich im Interview zu ihrem Geburtstag optimistisch. Selbst sein Umfeld verhandle darüber. Sie zähle inzwischen die Tage im Untergrund rückwärts: „jeden Tag einer weniger“. Venezuela befinde sich in einem historischen Moment. „Wir haben keine Angst vor der Freiheit.“