Spott war der rebellischen Künstlergruppe gewiss, die am 15. April 1874 erstmals gemeinsam ihre Gemälde in einem Pariser Fotoatelier präsentierte. Ein Kunstkritiker bezeichnete die Maler - darunter Edgar Degas, Claude Monet, Camille Pissarro, Auguste Renoir und Alfred Sisley - abfällig als „Impressionisten“. Eine der bekanntesten Kunstströmungen war geboren. Rund 150 Jahre später sind Werke der inzwischen gefeierten Maler im Arp Museum Bahnhof Rolandseck zu sehen. Und zwar gemeinsam mit ihren Brüsseler Kollegen.
Denn während die Pariser Künstlergruppen zur Legende wurden, sind ihre belgischen Pendants weniger bekannt. Dabei hatte sich in Brüssel Ende des 19. Jahrhunderts eine äußerst lebendige und fortschrittliche Kunstszene etabliert, die in engem Austausch mit der Pariser Avantgarde stand. „In Brüssel war man sogar aufgeschlossener gegenüber neuen Kunstströmungen“, stellt Kuratorin Susanne Blöcker fest.
Werke der Sammlung Rau und der Phoebus Foundation
Die Ausstellung „Seelenlandschaften. Ensor - Monet - Spilliaert“, die bis zum 8. März zu sehen ist, zeigt die engen Verflechtungen zwischen den Kunst-Metropolen Paris und Brüssel anhand von 55 Meisterwerken vom Impressionismus bis zum Beginn der Moderne. Die bekannten Namen aus Paris begegnen dabei belgischen Künstlern wie James Ensor, Théo van Rysselberghe, George Minne, Léon Spilliaert oder Rik Wouters.
Zugleich ist die Ausstellung ein Dialog zweier Sammlungen. Die Gemälde und Skulpturen stammen zum einen aus der Sammlung Rau für UNICEF im Arp Museum mit ihrem Schwerpunkt auf französischer Kunst. 28 Werke steuerte die belgische Sammlung „The Phoebus Foundation“ aus Antwerpen bei, deren umfangreiche Bestände bislang nicht öffentlich zugänglich sind.
Auflehnung gegen die Vorherrschaft der Akademien
In Belgien lehnten sich Künstler ebenso wie in Paris seit den 1860er Jahren gegen die Vorherrschaft der Akademien auf, die in ihren offiziellen Salons bestimmten, welche Werke ausgestellt wurden. Die 1883 gegründete Künstlervereinigung „Les Vingt“ (Die Zwanzig) lud französische Impressionisten wie Auguste Rodin, Georges Seurat oder Berthe Morisot zu ihren Ausstellungen ein.
An den Wänden der Kunstkammer Rau im Arp Museum treffen die französischen und belgischen Künstler nun erneut aufeinander. Da sind etwa die Gemälde des Belgiers Emile Claus (1849-1924), der sich immer wieder in Paris aufhielt, dort Kontakte zu den Impressionisten knüpfte und seine Variante dieser Kunstrichtung als „Luminismus“ bezeichnete. Sein Gemälde „Der Fluss Leie im Winter“ (1896) erscheint wie eine Antwort auf Claude Monets ein Jahr zuvor entstandenes Bild „Häuser im Schnee in Norwegen“. Beide Maler konzentrieren sich auf die Reflektionen des Schnees in einem rötlichen, milchigen Abendlicht. Claus‘ mit Lichtpunkten durchflutete „Rückkehr vom Markt“ (1894) korrespondiert mit Camille Pissarros „Straße von Saint-Germain nach Louveciennes“.
Neue Kunstströmungen kommen auf
Die Ausstellung bietet aber auch einen Kurztrip durch die rasante Aufeinanderfolge verschiedener Kunstströmungen in der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Mit ihrer damals revolutionären Hinwendung zur Natur und zur Freiluftmalerei reagierten die Impressionisten auf die Industrialisierung und das Anwachsen der Metropolen. Zugleich schuf das Aufkommen der Fotografie neue Herausforderungen für die Malerei. Rasch entwickeln sich neoimpressionistische Strömungen, die darauf reagieren.
Die Maler des Pointillismus wie die Franzosen Paul Signac und Georges Seurat nehmen mit ihrer Malerei Bezug auf neuste Erkenntnisse der Optik und Farbtheorie. Ihre Bilder entstehen durch eng aneinander gesetzte Farbtupfen. Théo van Rysselberghe ist einer der belgischen Vertreter dieser Kunstrichtung. In der Ausstellung ist er mit einer Abendstimmung an der Schelde vertreten, die mit Signacs Meeresbild aus der Bretagne korrespondiert.
„Landschaften der Seele“
Nicht nur die technischen Neuerungen, sondern auch die Entwicklungen auf dem Gebiet der Philosophie und Psychologie finden in der Kunst ihren Widerhall. Eine besondere Stärke entwickeln die belgischen Künstler im Symbolismus, der die „Landschaft der Seele“ in den Vordergrund rückt. Sie schließen sich 1894 in Brüssel der Gruppe „La Libre Esthetique“ an. Hier fand etwa der französische Künstler Odilon Redon eine Bühne, während er in Paris wenig geschätzt wurde. Zu der Gruppe gehörte auch James Ensor. Seine unheimlichen Maskeraden-Bilder kehren die inneren Verzerrungen des Menschen nach außen.
Als Gegenpol zum vergeistigten Symbolismus entstand um 1905 der Fauvismus. Maler wie André Derain, Rik Wouters oder Maurice de Vlaminck rückten mit farbigen, flächigen Bildkompositionen den Ausdruck von Freude in den Mittelpunkt ihres Schaffens.