Mai 1945: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Doch was bedeutet das für die Menschen? „Es war wohl der schönste Tag in meinem Leben“, erinnert sich die Polin Kazimiera Wozniak, die als 22-jährige Zwangsarbeiterin in Deutschland von US-Soldaten befreit wurde. Ungewissheit bedeutete das Kriegsende hingegen für den damals 19-jährigen Soldaten Hans Mendgen, der als Kriegsgefangener bei einer französischen Bauernfamilie arbeiten musste, mit der er sich dann aber anfreundete. Und für die überzeugte Nationalsozialistin Wolfhilde von König klang Frieden nach ihren eigenen Worten „wie Hohn in unseren Ohren“.
Die am Dienstag eröffnete neue Dauerausstellung des Hauses der Geschichte startet zeitlich in den Tagen unmittelbar nach Kriegsende mit zahlreichen Zeitzeugenberichten sowie Farbfilmaufnahmen des US-Soldaten George Stevens. Sie zeigen Alltagsszenen im zerstörten Berlin, die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau, aber auch badende Menschen am Strand des Wannsees. Das sind nur einige der vielen unterschiedlichen Perspektiven, mit der die Ausstellung die Gleichzeitigkeit der Ereignisse einfängt. Ein Muster, das die Macher der neuen Dauerschau durch die gesamte Zeitstrecke von 80 Jahren aufrechterhalten. Das Ergebnis: Ein äußerst vielschichtiger und erlebnisreicher Rundgang durch die deutsche Geschichte mit vielen neuen Einblicken.
Mehr als 3.800 Exponate in der Schau
Unter der Überschrift „Du bist Teil der Geschichte. Deutschland seit 1945“ zeigt die neu gestaltete Dauerausstellung 3.850 zeitgeschichtliche Exponate. Nur knapp 300 davon seien aus der alten Schau übernommen worden, sagt Sammlungsdirektor Manfred Wichmann. Neu ist auch die behandelte Zeitspanne. Sie reicht bis in die unmittelbare Gegenwart mit Exponaten zum russischen Angriff auf die Ukraine und seinen Folgen. Am Ende der Ausstellung greift die Geschichts-Werkstatt „Heute“ außerdem immer wieder neue brandaktuelle Themen auf, zu denen sich die Besucherinnen und Besucher äußern können.
Mit insgesamt 88 Zeitzeugenberichten gibt die Ausstellung einen unmittelbaren Einblick in das Denken und Erleben der Menschen. 150 Medienstationen zeigen historisches Filmmaterial, bieten aber auch die Möglichkeit, mitzumachen und sich als Teil der Geschichte zu erleben. An drei Stellen können Besucherinnen und Besucher zum Beispiel in Original-Sitzen des alten Bundestages Platz nehmen und dort per Knopfdruck Quiz-Fragen zur politischen Parlamentsarbeit beantworten.
„Zeigen, wie Geschichte entsteht“
An anderen Punkten der Ausstellung bieten interaktive Stationen historische Bilder zum eigenen Geburtsjahr oder zum eigenen Herkunftsort. „Wir möchten zeigen, wie Geschichte entsteht - und wie jede und jeder sie in einem demokratischen Rechtsstaat durch das eigene Handeln prägt“, betont Harald Biermann, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte.
Die Ausstellung führt durch fünf Zeiträume: Die Nachkriegszeit, die deutsche Teilung, die Wiedervereinigung, das vereinte Deutschland seit 1990 sowie die Gegenwart. Kleine, aber berührende Exponate wechseln sich mit beeindruckenden raumgreifenden Objekten ab. Da ist etwa das kleine Sterbebuch aus dem Lager Sachsenhausen, in dem die sowjetische Militärverwaltung Nationalsozialisten bestrafen und umerziehen wollte. Ein Drittel der Insassen starb. Daneben erzählt eine sogenannte Nissenhütte vom Schicksal der Flüchtlinge aus dem Osten. Filmaufnahmen veranschaulichen Alltagsszenen aus dem Flüchtlingslager Friedland.
Deutsche Wiedervereinigung ist thematischer Schwerpunkt
Mit Beginn der deutschen Teilung zeigt die Ausstellung die Entwicklungen in Ost und West in direkter Gegenüberstellung. Optisch sind die parallelen Welten in der DDR und der Bundesrepublik durch rote Linien getrennt. Die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme in Ost und West werden etwa am Beispiel der beiden Städte Wolfsburg und Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt, verdeutlicht. Im Westen brummte die Produktion von Volkswagen, und Ludwig Erhard stand für soziale Marktwirtschaft. Im Osten warb SED-Generalsekretär Walter Ulbricht für die Ziele des Fünfjahresplanes. Das Eisenhüttenkombinat Ost in Stalinstadt war ein Vorzeigeprojekt.
Einen thematischen Schwerpunkt der Schau bildet die deutsche Wiedervereinigung. Original-Banner der Montags-Demonstrationen säumen den Weg. Auf Großbildschirmen können Besucherinnen und Besucher dann im Zeitraffer die letzten Stunden vor dem Fall der Mauer miterleben. Zu sehen ist auch der berühmte Zettel des SED-Funktionärs Günter Schabowski zu den gelockerten Reiseregelungen für DDR-Bürger. Der Weg in die Gegenwart endet mit der Geschichtswerkstatt „Heute“, die unter anderem die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht thematisiert. Zum Abschied können Besucherinnen und Besucher ihre Meinung auf einem Zettel hinterlassen.