Die Liege der Charlotte Perriand
s:67:"Kunstmuseen Krefeld blicken auf Design-Pionierin Charlotte Perriand";
Kunstmuseen Krefeld blicken auf Design-Pionierin Charlotte Perriand
Kunstmuseen Krefeld blicken auf Werk der Design-Pionierin
Krefeld (epd).

Es ist ein Designklassiker: die schwarze, lederne Liege aus dem Jahr 1928 mit dem halbmond-förmig gebogenen Edelstahlrahmen, optisch schwungvoll und im Gebrauch bequem. Ein Möbelstück, das Wohnen zur Kunstform macht. Es ist ab dem 2. November unter der Überschrift „Die Kunst des Wohnens“ in den Kunstmuseen Krefeld ausgestellt - und wird endlich der Künstlerin zugeschrieben, die es im Alter von nur 25 Jahren geschaffen hat: der französischen Designpionierin Charlotte Perriand (1903-1999).

Bisher zeigten selbst Museen, die sich um Gleichberechtigung bemühen, den Architekten Le Corbusier als Erfinder des Möbels, Perriand allenfalls als Co-Designerin. „Das stimmt aber nicht. Meine Mutter Charlotte Perriand hat das Sofa erschaffen. Es ist ihr gestohlen worden“, sagt ihre Tochter Pernette Perriand-Barsac am Mittwoch am Rande einer Vorbesichtigung dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Krefeld. Sie ist zur ersten Ausstellung der Werke ihrer Mutter in Deutschland gekommen. Bis 15. März 2026 widmen sich die Kunstmuseen Krefeld der Architektin und Designerin.

Einbauküchen, ein Einbau-Badezimmer, farbige Regale, stapelbare Container und ein „Tiny House“ hat Charlotte Perriand in den 70 Jahren ihres Schaffens entworfen. „In Frankreich war sie dafür berühmt und hat mit wichtigen Architekten weltweit gearbeitet,“ sagt Pernette Perriand-Barsac, die während eines Aufenthalts ihrer Mutter in Vietnam zur Welt kam. Auch Deutschland, das Land des Bauhauses, hatte die Designerin vor 1933 öfter besucht. In Köln sei sie sogar fast im Rhein ertrunken, erinnert sich die Tochter.

Die Initiative für die Ausstellung über eine der großen europäischen Designerinnen hatte die Krefelder Museumsdirektorin Katia Baudin ergriffen, nachdem sie in Paris das kleine Archiv der Künstlerin, betrieben von Pernette Perriand-Barsac und deren Mann Jaques Barsac, kennengelernt hatte. Bis dahin war Perriand in Deutschland nur als Mitarbeiterin von Le Corbusier bekannt.

Le Corbusier war als Architekt schon anerkannt, als er die kühnen Entwürfe der jungen Handwerkerin in den 1920er Jahren zum ersten Mal sah. Sie beeindruckten ihn, weil sie sorgfältig auf die Bedürfnisse von Menschen in ihren Wohnungen abgestimmt, dabei originell und herstellbar waren. So stellte er sie ein, auch wenn sie zunächst Architektur bei ihm studieren wollte. „Als er ihr Meisterwerk, das schwarze Sofa, zum ersten Mal ausstellte, trug es zwar auch noch ihren Namen, galt aber fortan - und bis heute - als sein Werk,“ sagt Katia Baudin. Ähnlich war es vielen Künstlerinnen ergangen, etwa der Bildhauerin Camille Claudel, deren Werke zum Teil ihrem Lehrer Auguste Rodin zugeschrieben worden waren.

Dabei war Perriand in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg schon international bekannt. Auf Reisen nach Russland in den 1930er Jahren habe sie etwa mit dem Architekten Alexander Wesnin und dem Maler Kasimir Malewitsch gearbeitet, schildert ihre Tochter dem epd. In Japan habe sie später mit dem Architekten Tadao Ando kooperiert.

Etliche von Charlotte Perriands Pionierleistungen sind im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum, dem Hauptgebäude der Kunstmuseen, zu sehen. Die begeisterte Bergsteigerin entwarf zum Beispiel eine Alpenhütte mit einfachstem Mobiliar aus Holz und Metall, einem Vorläufer der heute beliebten Tiny Houses. Den Ort Les Arcs erschuf sie als Wintersport-Paradies mit Hotels voll hunderter identischer Räume - eine Bauweise, die heute eher abschreckt, in den 1960er Jahren aber prägend war.

Stapelbare Container und heiter-farbige Regale hat Charlotte Perriand noch vor bekannten Möbelketten entworfen und fertigen lassen. Der Einfluss des Bauhauses, der deutschen Architektur- und Designschule der 1920er Jahre in Weimar und Dessau, ist in ihren Werken erkennbar. Sie wirkte auch mit den Architekten der Schule zusammen: Mit Walter Gropius etwa reiste Cahrlotte Perriand durch Japan.

Werke, die auf dieser Reise oder unmittelbar davon beeinflusst entstanden, sind am zweiten Krefelder Schauplatz zu sehen, in dem vom Architekten Ludwig Mies van der Rohe erbauten Haus Lange. Das Motto der Schau „L'art d'habiter / Die Kunst des Wohnens“ soll nach dem Willen der Museumsdirektorin Baudin überall erlebbar sein. Charlotte Perriand habe für Menschen, für ihren Komfort, ihre Freude am Leben, an den Farben am Gebrauch ihrer Gegenstände gearbeitet. Das ist nun zum ersten Mal in Deutschland umfassend zu sehen.

Von Irene Dänzer-Vanotti