
Manfred Kock brannte bis zum Schluss für Kirche und Glauben. Den Theologen prägte die feste Überzeugung, dass die Welt die christliche Botschaft zu allen Zeiten dringend braucht. Die Christen seien „Kirche für das Volk“ und sollten in die Gesellschaft ausstrahlen und etwas bewirken, sagte der frühere rheinische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einmal. Am 11. September, drei Tage vor seinem 89. Geburtstag, starb der ebenso bescheidene wie volksnahe und populäre Theologe, der von 1997 bis 2003 oberster Repräsentant des deutschen Protestantismus war.
Kock stand für eine gesellschaftlich und politisch wache und engagierte Kirche, er äußerte sich immer wieder öffentlich zu aktuellen Fragen. Sein Auftreten kennzeichnete noch im hohen Alter, was schon in den kirchlichen Spitzenämtern seine Stärke war: Er bezog klar Stellung und wirkte zugleich gelassen, bedächtig und ausgleichend. So agierte er als Moderator und Brückenbauer - sowohl zwischen den Interessen und Strömungen in der EKD als auch in der Ökumene und im Dialog zwischen den Kulturen und Religionen. Als „leidenschaftlichen Prediger“ würdigte ihn der heutige rheinische Präses Thorsten Latzel.
Nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel erinnerte Kock an die bleibende Verpflichtung der christlichen Kirchen, an der Seite Israels zu stehen. Zugleich sei Mitgefühl mit den Palästinensern wichtig, Unrecht müsse benannt werden.
Auch die anderen Themen von Kocks Amtszeit sind noch immer aktuell: Ökumene, Krieg und Ungerechtigkeit, Bioethik und Sterbehilfe, Migration, Wandel des Sozialstaats, Bewahrung der Schöpfung. Die deutsche Regierung müsse den Klimaschutz voranbringen und für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen, sagte der frühere Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland dem Evangelischen Pressedienst (epd) zu seinem 85. Geburtstag. Entscheidend für die Zukunft der Welt sei auch ein friedliches Zusammenleben.
Die Zukunft der beiden großen Kirchen in Deutschland konnte sich Kock nur als eine gemeinsame vorstellen. Wie kaum jemand sonst stand er für die ökumenische Zusammenarbeit von evangelischer und katholischer Kirche unter der Formel „versöhnte Verschiedenheit“. Mit Karl Lehmann, dem früheren Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, pflegte er ein enges persönliches Verhältnis. Ökumene-Fortschritte erhoffte er sich vor allem von den katholischen Reformbewegungen, die das hierarchische Amtspriestertum infrage stellen.
Seinen Jugendwunsch, Menschen zu helfen, erfüllte sich Kock als Seelsorger - ursprünglich wollte er Arzt werden. In seinen letzten Lebensjahren trat er zwar kürzer, er predigte aber nach wie vor regelmäßig in seiner Kölner Ortsgemeinde und in einem katholischen Altenpflegeheim, gelegentlich hielt er auch Vorträge über Glaubensfragen oder ethische Konflikte.
Kock wurde am 14. September 1936 als ältestes von drei Kindern im münsterländischen Burgsteinfurt geboren. Er studierte Theologie in Bethel, Münster und Tübingen, seine erste Pfarrstelle trat er 1962 in einer Bergarbeitergemeinde in Recklinghausen an. Er wechselte 1970 als Jugendpfarrer nach Köln, wo er sechs Jahre später Gemeindepfarrer wurde und 1988 an die Spitze des Stadtkirchenverbands rückte. Kock wurde heimisch in der Domstadt, in der er bis zuletzt mit seiner Frau Gisela wohnte, er schätzte die lebensfrohe Mentalität der Kölner und ihren „großzügigen Gott“.
Als er bereits den Ruhestand im Blick hatte, wurde Kock unverhofft in zwei Führungsämter gewählt, die ihm alles abverlangten: Als 1996 der damalige rheinische Präses Peter Beier plötzlich starb, wurde Kock Anfang 1997 zunächst zu dessen Nachfolger bestimmt. Im Herbst 1997 machte der vermeintliche Übergangskandidat an der Spitze der zweitgrößten Landeskirche dann überraschend auch das Rennen bei der Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden, als er sich gegen Wolfgang Huber durchsetzte. Im Jahr 2003 trat er zunächst als rheinischer Präses und dann als höchster Repräsentant der deutschen Protestanten aus dem Rampenlicht.
Vor drei Jahren feierte das Ehepaar Kock diamantene Hochzeit. Ein schwerer Verlust war der Tod des jüngsten Sohnes 2016, die beiden anderen Kinder leben in Köln. Für seine sechs erwachsenen Enkel schrieb Kock vor seinem Tod seine Kindheitserlebnisse auf.