Die Trauerkultur droht nach Beobachtung des Bonner Theologen, Religionswissenschaftlers und Buchautors Georg Schwikart in einer von Effizienz bestimmten Gesellschaft zunehmend an den Rand gedrängt zu werden. In der säkularisierten Welt fehle den Menschen oft der „Trost der Religion“, sagte Schwikart dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das beeinflusse gravierend die Trauerkultur. Beerdigungen sollten so wenig wie möglich den normalen Fluss des Lebens stören, beklagte der rheinische Pfarrer. „Sich für die Trauerfeier einer Kollegin oder einer Nachbarin oder sogar des Opas freizunehmen, das ist ein echtes Opfer.“
„Der moderne Mensch fühlt sich vom Tod gedemütigt“, vermutet Schwikart. Denn entgegen der Vorstellung, in einer technologisierten und digitalen Welt alles machen und kontrollieren zu können, zeige der Tod „uns unsere Grenzen auf“. „Sprüche wie 'nun ist sie erlöst' oder 'ist ja jetzt besser so', wenn eine Rentnerin verstorben ist, sind vor allem Ausdruck einer Sprachlosigkeit angesichts eines Phänomens, also des Todes, das uns überfordert“, erklärte der promovierte Theologe, der mehrere Bücher zur „Kunst des Trauerns“ veröffentlicht hat.
„Die Frage ist, ob man den Tod als Verlust oder als Transformation begreift“, sagte Schwikart weiter. In Thailand habe er etwa an einer buddhistischen Leichenverbrennung teilgenommen. Viele Menschen seien dabei gewesen, um zuzuschauen, wie das Feuer den Leichnam „verzehrte“. „Das kann man gut ertragen, wenn man vertraut, die Seele - also, was den Verstorbenen zu einer Persönlichkeit machte - ist längst raus.“ Die Verdrängung des Jenseits mache das Diesseits auf jeden Fall nicht leichter, so der Theologe.
Die Gestaltung von kirchlichen Trauergottesdiensten ist seinen Worten zufolge im Wandel. So hätten sich neue Formen entwickelt, die näher an den Zeitgenossen dran seien als althergebrachte Rituale, erzählte der Pfarrer der evangelische Kirchengemeinde Hardtberg in Bonn. „Es läuft andere Musik zur Beisetzung als früher. Luftballons steigen zu lassen, ist ein wunderbares Symbol. Vielleicht sagen Angehörige etwas sehr Persönliches, was alle rührt.“
Trauergästen, die unsicher sind, wie sie mit den Hinterbliebenen umgehen solle, empfiehlt er, authentisch zu sein. „Wenn du nichts zu sagen weißt, dann sage das doch einfach so.“ Die Worte seien letztlich nicht entscheidend, sondern das Zeichen: „Ich weiche nicht aus, ich stelle mich dem Tod und der Trauer, ich gehe mit dir durch die Krise oder begleite dich mit guten Gedanken. Oder sogar mit meinem Gebet.“