Nach der Einstellung der Kampfhandlungen im Gaza-Streifen und der Freilassung der israelischen Geiseln durch die palästinensische Terrororganisation Hamas herrscht in Israel nach Angaben des evangelischen Propstes von Jerusalem ein „Schwebezustand zwischen Hoffnung und Skepsis“. Auch wenn die Freude über die Rückkehr der Geiseln und die Freilassung der palästinensischen Gefangenen in Israel und den palästinensischen Gebieten groß sei, gebe es weiterhin eine „große Skepsis, ob der Frieden hält“, sagte Pfarrer Joachim Lenz dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. „Strahlend optimistisch ist hier niemand!“, betonte er.
Die Entwicklung der vergangenen Jahre, zu der auch die Folgen der Corona-Pandemie gehören, hat die Zahl der eingetragenen Mitglieder der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in Jerusalem schrumpfen lassen. „Wir sind deutlich weniger geworden, weil Familien, die uns sonst unterstützt haben, zum guten Teil ausgereist sind“, sagte der Propst. Vor der Pandemie habe die Zahl der Mitglieder noch etwa 150 betragen, derzeit liege man bei „unter 100“. Überdies fehlten Touristen, Studierende oder Pilger, die aufgrund der politischen Ereignisse in den vergangenen beiden Jahren fernblieben. „Es kommen viel weniger Deutsche hierhin“, bedauerte der Propst. Die Altstadt von Jerusalem sei „weitgehend leer“.
Die ökumenisch angelegte Arbeit der Gemeinde ist nach Angaben von Lenz trotz der schwindenden Mitgliederzahlen und des Krieges im Gaza-Streifen aber nicht eingeschränkt worden. So biete man weiterhin sonntags Gottesdienste in der Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt an, zudem verstehe sich die deutschsprachige Gemeinde zunehmend auch als „Service-Dienstleister für Nicht-Deutschsprachige“ und entwickele Angebote für andere Nationalitäten oder Glaubensrichtungen. Internationale Beteiligung gebe es etwa bei Taizé-Andachten jeden Mittwochabend in der Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg oder auch bei Kulturveranstaltungen wie Konzerten oder Aufführungen von Stummfilmen.
Pfarrer Joachim Lenz ist seit August 2020 evangelischer Propst von Jerusalem. In dieser Funktion ist er erster Pfarrer an der Erlöserkirche und Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland im Heiligen Land. Der Propst vertritt die deutschsprachigen evangelischen Einrichtungen in der Jerusalemer Ökumene und gegenüber den politischen Stellen. Lenz ist Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Er war zuvor unter anderem als Theologischer Referent im rheinischen Landeskirchenamt, als Gemeindepfarrer an der Mosel, als Kirchentagspastor und als Direktor der Berliner Stadtmission tätig.