TikTok-Challenges: Aufmerksamkeit durch Selbstgefährdung
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Die Plattform Tiktok bietet ein hohes Suchtpotenzial.
Hamburg, Dortmund (epd).

Wer traut sich, im Supermarkt Kaugummi zu stehlen? Mutproben wie diese gibt es schon lange. Recht neu sind Mutproben, die sich über soziale Medien wie TikTok verbreiten. Challenges heißen sie und sind teils lebensgefährlich.

Bei der „Blackout Challenge“ beispielsweise gilt es, sich bis zur Bewusstlosigkeit zu strangulieren und dabei zu filmen. Medienberichten zufolge sollen dabei in verschiedenen Ländern bereits Jugendliche ums Leben gekommen sein.

Sören Schmidt-Bodenstein, Leiter der Landesvertretung Schleswig-Holstein der Techniker Krankenkasse, warnt unter anderem vor der „Hot-Chip-Challenge“, bei der Teilnehmende vor laufender Kamera extrem scharfe Chips essen: „Der Verzehr von extrem scharfem Essen kann zu gesundheitlichen Folgen wie Magen-Darm-Problemen und im schlimmsten Fall sogar zur Atemnot führen.“

Für Kinder und Jugendliche seien Challenges oft verlockend, sagt Sascha Ihns, Pressesprecher der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein: „Sie können sich und ihre Grenzen austesten und über Likes Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Gruppe erfahren.“ Neben den Challenges, bei denen junge Menschen sich beim Versuch, die Leistung der anderen zu übertreffen, großen Gefahren aussetzen, gebe es auch einfachere, eher ungefährliche Wettbewerbe.

Es sei „enorm wichtig“, dass diesbezüglich eine Einordnung stattfinde, sagt Ihns. Eltern müssten ihre Kinder bei der Nutzung sozialer Medien durch Gespräche und gemeinsame Regeln begleiten. „Besprechen Sie offen mögliche Gefahren und bestärken Sie Ihre Kinder darin, sich nicht über eine Challenge beweisen zu müssen“, rät Ihns.

Schmidt-Bodenstein fordert eine Stärkung der Medienkompetenz junger Menschen. Er sieht Politik, Eltern, Schulen, Vereine und Krankenkassen gefordert.

Die Landesanstalt für Medien NRW (LfM NRW) veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Studie zu TikTok-Challenges, durchgeführt von der Universität München. Mehr als 750 TikTok-Nutzende zwischen 10 und 16 Jahren wurden befragt und rund 2.500 TikTok-Videos analysiert. Die Inhaltsanalyse ergab, dass es sich bei rund 65 Prozent der untersuchten Videos um harmlose Wettbewerbe wie Tanz- oder Sing-Challenges handelte. Rund ein Drittel der Videos hätten jedoch potenziell schädliche und ein Prozent sogar potenziell tödliche Challenges gezeigt. Aus der Befragung ging hervor, dass mehr als 60 Prozent der Jugendlichen auf TikTok Inhalten begegnen, die bei ihnen Unwohlsein verursachen.

Claudia Lampert vom Leibniz-Institut für Medienforschung - Hans-Bredow-Institut in Hamburg hält es für wichtig, dass sowohl Eltern als auch Pädagoginnen und Pädagogen mit den Heranwachsenden im Gespräch bleiben, „um mitzubekommen, welche Themen gerade in der Altersstufe des Kindes angesagt sind“. Sie rät außerdem: „Gerade bei Kindern, die eher ein riskantes Online-Verhalten zeigen, aber auch bei jenen, denen es schwerfällt, dem sozialen Druck der Peergroup standzuhalten, sollten Eltern besonders aufmerksam sein.“

Daneben sollten Eltern mit gutem Beispiel vorangehen, appelliert Lampert. „Auf verschiedenen Plattformen finden sich auch Challenges, die auf Kosten von Kindern gehen“, sagt sie und nennt als Beispiel die „Egg Challenge“, bei der Eltern ihrem Kind unerwartet ein rohes Ei an den Kopf schlagen und die Reaktion aufzeichnen. „Auch wenn das zunächst harmlos klingt, sollten Eltern dafür sensibilisiert werden, dass hier deutlich Grenzen überschritten werden.“

Für den Fall, dass ein Kind unbedingt an einer Challenge teilnehmen möchte, rät Medienanstaltssprecher Ihns den Eltern, klare Regeln zu vereinbaren: „Welches Verhalten ist tabu, welches ist in Ordnung? Besprechen Sie auch, mit wem Ihre Kinder die Videos anschließend teilen dürfen.“

Von Marcel Maack