„Nimm doch einen Straßenhund aus dem Tierschutz!“ Wer sich einen Hund kaufen möchte, bekommt dies oft zu hören. Gemeint sind Hunde aus Süd- und Osteuropa. Doch wie schlecht geht es herrenlosen Hunden im Ausland wirklich? Die Hundetrainerin Sarah Fink beobachtet seit Jahren Straßenhunde. Ihre letzte Reise dauerte sechs Monate, dabei verfolgte sie mit Halsbändern und GPS-Trackern Aktivität und Wege der Tiere. „Am meisten war ich überrascht, wie viele Hunde Bezugspersonen hatten: Menschen, die sich um die Tiere kümmern und sie füttern“, sagt sie.
Lebhaft kann Fink sich erinnern, wie sie einer Hündin in ein rumänisches Armenviertel folgte und eine alte Frau sie wüst beschimpfte. Eine hinzueilende Studentin konnte übersetzen. „Es war ihr Lieblingsstraßenhund, und sie dachte, wir wollten den Hund einfangen und verkaufen.“ Dies habe die alte Frau schon öfter erlebt, wenn deutsche Fremde gekommen seien.
Misstrauisch waren auch viele Besitzer. In vielen Ländern, die Fink besuchte, sei es üblich, dass die Hoftore offen stünden und die Vierbeiner frei durch die Gegend liefen. „Die Menschen wissen ja nicht, was passiert ist, wenn ein Hund weg ist“, sagt Fink. Ist er verunglückt, auf dem Weg ins Ausland oder in einer Tötungsstation? So nennt man Tierheime, in denen eingefangene Tiere oft nach wenigen Tagen getötet werden, wenn niemand sie abholt. Sie existieren in der Türkei, in Spanien, aber am häufigsten in Rumänien. Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn hat die rumänische Regierung 2013 ein Gesetz erlassen, nach dem Straßenhunde eingefangen und nach einer Frist von zwei Wochen getötet werden dürfen.
Geheime Welt der Straßenhunde
Bei den Recherchen für ihr Buch „Die geheime Welt der Straßenhunde“ begegneten Sarah Fink auch gut genährte Straßenhunde, die Menschen aufsuchten und Futter bekamen. Manche liefen viele Kilometer am Tag umher und spielten ausgiebig mit ihren Hundefreunden, was ein kranker und gestresster Hund nicht tun würde.
Doch wie geht es einem an Freiheit gewöhnten Tier, wenn es nach Deutschland vermittelt wird und die meiste Zeit in einer Wohnung verbringen muss? Fink warnt tierliebe Menschen, die einen Vierbeiner aus dem Ausland adoptieren möchten: Viele seien mit freiheitsliebenden Tieren überfordert, etliche „Problem-Hunde“ landeten später im Tierheim.
Hundetrainerin Fink erzieht selbst auch schwierige Hunde. „Aber ich arbeite komplett gegen die Genetik.“ Als Beispiel nennt sie Kangal-Mischlinge, die als Herdenschutzhunde dienten. „Sie wurden gezüchtet, um Bären, Wölfe und Hunde zu vertreiben. Und dann soll ein solcher Beschützer in der Kölner Innenstadt an 50 Hunden ohne Reaktion vorbeilaufen?“ Die sinnvollste Tierschutzmaßnahme sei daher, so viele Hunde wie möglich in ihrer Heimat zu kastrieren und wieder freizulassen.
Zusammenarbeit mit Tierschutzvereinen im Ausland
Auch Lisa Hoth-Zimak von der Dachorganisation Deutscher Tierschutzbund plädiert für Kastrationen von Straßenhunden. „Das Prinzip Fangen, Kastrieren, Freilassen ist nachhaltig und tierschutzgerecht“, erklärt die Fachreferentin für Heimtiere. Die Tierärztin schreibt derzeit ihre Doktorarbeit zum Verhalten von Tierschutzhunden aus dem Ausland nach ihrer Vermittlung in deutsche Privathaushalte. Man löse das Problem nicht durch Adoptionen, sie entspannten die Lage allenthalben kurzfristig, solange stetig neuer Nachwuchs komme, sagt sie.
„Wir wollen Hilfe zu Selbsthilfe vermitteln und arbeiten mit lokalen Behörden und Tierschutzvereinen in den Ländern zusammen“, erklärt Hoth-Zimak. Ein Projekt sei zum Beispiel ein Kastrationsmobil, das seine Dienste kostenlos anbiete.
Auch die Tierschützerin stellt immer wieder fest, dass ein vermittelter Hund in einer kleinen Wohnung aggressives Verhalten zeigen kann - was als Welpe einem friedfertigen Golden Retriever ähnelt, kann sich später als hyperaktiver Hütehund oder dominanter Schutzhund entpuppen.
Auf Seriosität der Vermittler achten
„Aber es gibt auch Hunde, die sich sehr gut an das Leben hier anpassen“, sagt Hoth-Zimak. Menschen, die einem Hund aus dem Ausland helfen möchten, rät sie, eine Checkliste des Tierschutzbundes zu nutzen. Damit ließen sich zumindest unseriöse bis kriminelle Vermittler erkennen, die kranke oder schwer traumatisierte Tiere verkauften.
Lisa Frankenberger von der Tierschutzorganisation Tasso sieht bei jungen Hunden nach einer Vermittlung „noch Chancen, ein gutes Leben zu führen“. Wichtig sei, dass die Vereine transparent arbeiteten, streunende Hunde betreuten, Tierheime unterstützten oder die Menschen vor Ort aufklärten. Von Organisationen, die nur Tiere vermitteln, rät sie ab.
Fink betont, dass es natürlich Tiere gebe, die Hilfe bräuchten: ausgesetzte, kranke, verletzte, abgemagerte Hunde oder solche, die bereits in Tötungsstationen seien. Sie empfiehlt Menschen, die ein Tier aus dem Ausland retten wollen, dorthin zu fliegen und es zwei bis drei Tage im Tierheim zu beobachten. „Wie reagiert der Hund auf andere Hunde und Menschen? Ist er ängstlich oder eher dominant?“ Wichtig sei, dass sich das Tier für den eigenen Alltag eigne. „Habe ich ein kleines Kind, das einem Hund auch mal was wegnimmt, oder lebe ich abgelegen im Wald? Es geht hier um ein Familienmitglied für die nächsten zehn bis 15 Jahre.“