"Idee des fairen Handels ist auch in Zukunft wichtig"
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Expertin: Errungenschaften des fairen Handels durch TTIP bedroht
Fair-Handelsgesellschaft Gepa wird 50
Wuppertal (epd).

„Jute statt Plastik“: Die Taschen mit diesem eingängigen Slogan haben in der alternativen Szene in Deutschland eine Epoche geprägt und sind im kulturellen Gedächtnis verankert. Zu verdanken ist die Erfolgsgeschichte Gerd Nickoleit, einem Pionier des fairen Handels, der die Jutetasche von Bangladesch vor Jahrzehnten nach Deutschland brachte. Mittlerweile ist der Mitbegründer der Fair-Handelsgesellschaft Gepa in Wuppertal 81 Jahre alt. Für die Idee des gerechten Handels brennt er nach wie vor.

„Die Idee des fairen Handels ist weiterhin richtig und wichtig - auch in Zukunft“, sagt Nickoleit im großen Verkaufsraum der Gepa-Firmenzentrale im Wuppertaler Westen. „Sie wird daher neue Überzeugungstäter finden.“ Am 14. Mai feiert das Unternehmen sein 50-jähriges Bestehen.

Dem „Überzeugungstäter“ Nickoleit ging es in seiner Arbeit immer darum, „soziale und betriebswirtschaftliche Aspekte zusammenzubringen“. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann in einem Textilunternehmen in der Nähe von Hamburg und einem Studium der Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Siegen habe es ihn schon als jungen Mann in die weite Welt getrieben, erzählt er: „Angefangen hat alles mit meiner Reiselust.“

Nickoleit lebte und arbeitete drei Jahre in Peru sowie als Entwicklungshelfer im Iran. „Ich bin in den Ländern immer gastfreundlich empfangen worden“, berichtet er. Bei seinen Aufenthalten in den Ländern erlebte er aber auch, wie ungerecht das globale Wirtschaftssystem gerade für Kleinbauern sein kann.

Nach einer Beschäftigung unter anderem für das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ wurde Nickoleit erster Geschäftsführer der „Aktion Dritte Welt Handel“, die aus Kritik an der offiziellen Entwicklungspolitik entstanden war. Sichtbares Zeichen dafür waren etwa die Hungermärsche, die im Jahr 1970 durch rund 70 Städte zogen. In der Folge verkauften Kirchengemeinden und Aktionsgruppen in Deutschland Kunsthandwerk und später fair gehandelten Kaffee, dem weitere Lebensmittel und Produkte folgten. „Damals sagte man: In den Kirchen wird mehr gehandelt als gebetet“, sagt Nickoleit mit einem Schmunzeln.

Als Konsequenz darauf schrieb der visionäre Handelsexperte im Jahr 1974 als Geschäftsführer der „Aktion Dritte Welt Handel“ den Antrag zur Gründung einer Importgesellschaft bei den kirchlichen Hilfswerken „Brot für die Welt“ und Misereor, die ein Jahr später erfolgte. In der Gründungsphase erhielt er die Anfrage, ob er nicht als Leiter der Abteilung „Grundsatz und Politik“ für die ethische Ausrichtung der Firma zuständig sein wolle. Er wollte: Am 1. April 1978 begann seine Arbeit bei der Gepa.

Im fairen Handel, der damals noch „alternativer Handel“ genannt wurde, gab es aber durchaus unterschiedliche Erwartungshaltungen. So setzten etwa die Weltläden bei ihrem Geschäftsmodell sehr stark auf Bildungsarbeit und weniger auf Warenabsatz und Marketingkonzepte. Die Kooperativen, Kleinbauern und Handwerker in den Ursprungsländern mussten aber von dem Verkauf der Waren leben. Damals sei erkannt worden, dass „man die Partner stärker in den Mittelpunkt stellen“ muss, sagt Nickoleit.

Zur Handelspalette der Gepa (Akronym für „Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt“) gehören „Klassiker“ wie Kaffee, Tee und Schokolade sowie weitere Lebensmittel wie Süßwaren, Honig, Brotaufstriche, Wein oder Reis. Im Bereich Non-Food wird mit Korbwaren, Textilien, Kerzen oder Seifen gehandelt. Gepa-Produkte finden sich bundesweit in 900 Weltläden und vielen Supermärkten, im Biohandel, in Restaurants und Kantinen sowie in kirchlichen und sozialen Einrichtungen.

Der faire Handel ist inzwischen ein umkämpfter Markt, auf dem sich die Gepa behaupten muss. Geschäftsführer Peter Schaumberger packt die Herausforderung in das Motto: „Wir müssen von der Referenz zur Relevanz kommen.“ Während in den Weltläden mit dem Kauf jedes Produkts auch eine Geschichte erzählt werden solle, gehe es bei der Distribution über den Lebensmitteleinzelhandel darum, mit Produkten und Markenartikeln zu überzeugen und überhaupt ins Regal genommen zu werden.

„Bislang ist Gepa eine Marke, die vor allem für Kaffee, Schokolade und Tee bekannt ist“, erklärt Schaumberger. Diese Warengruppen machten über 85 Prozent des Umsatzes aus. Gerade beim Verkauf über den Einzelhandel und die Biomärkte müsse es aber darum gehen, „mehr Breite“ im Regal zu erhalten. Angesichts der mittlerweile zahlreichen Umwelt- und Fair-Trade-Siegel will das Unternehmen mit seiner Glaubwürdigkeit punkten und Aufmerksamkeit bei den Kunden generieren.

Dazu wurde eine Markenstrategie aufgelegt, die den Begriff „Gerechtigkeit“ nach vorne stellt und vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen soll. So findet sich unter dem Gepa-Logo - einem geschwungenem G - der Claim: „Taste a fair world“ (Schmecke/Probiere eine gerechte Welt). Auf immer mehr Verpackungen prangt zudem der Begriff „Fairness“. Damit wolle man den Kunden deutlich machen: „Wenn ich dieses Produkt kaufe, trage ich zur Gerechtigkeit bei“, sagt der Geschäftsführer.

Nach den Worten von Gepa-Mitgründer Nickoleit hat die Gepa als Pionierin des fairen Handels „wichtige Veränderungen im System“ erreicht. Auch wenn die Idee eines an Ausgleich und Gerechtigkeit orientierten Welthandels angesichts eines oft nationalistisch geprägten Wirtschaftsdenkens aktuell einen schweren Stand zu haben scheine, hält er den von der Gepa gewählten Weg für den richtigen. Allerdings müsse der faire Handel „immer wieder neu interpretiert und an sich verändernde Situationen angepasst werden“, betont der 81-Jährige.

Michael Bosse (epd)