Burnout statt großer Liebe
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Online-Dating
Expertinnen warnen vor Schattenseiten von Online-Dating
Köln, Berlin (epd).

Lohnt sich für die Partnersuche der Blick in eine Dating-App? Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland sind es leid, Zeit und Gefühle zu investieren, um online die große Liebe zu finden, wie die Kölner Psychologin Wera Aretz in einer Studie herausgefunden hat. Unter dem Titel „hate to date? Eine explorative Studie zum Burnout-Syndrom im Dating-Kontext“ hat sie das Thema eingehend untersucht. „Ich fand es schon alarmierend, dass unserer Studie nach 14 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer an eben dieser Form der Erschöpfung von Online-Dating leiden“, sagt sie.

Dass die Dauerpartnersuche im Netz auch zum Burnout führen kann, ist allerdings nur eines ihrer Ergebnisse. Aretz forscht seit 15 Jahren zum Thema. Sie habe auch herausgefunden, dass Männer und Frauen gleichermaßen Frustrationserlebnissen auf Dating-Apps ausgesetzt sind, „wenngleich diese sich inhaltlich etwas unterscheiden“.

So litten Frauen vor allem darunter, wenn Dating-Partner plötzlich jeden Kontakt abbrechen und sie ignorieren - also sogenanntes Ghosting betreiben. Dieses „immer wieder von vorne anfangen“ werde von ihnen als sehr ermüdend empfunden. Männer hingegen hätten eher das Gefühl, wenig Erfolg auf Dating-Apps zu haben. „Und das ist häufig von starken Selbstzweifeln begleitet“, betont die Expertin.

Ein Online-Dating-Burnout könne jede und jeden treffen, sagt die Psychologin. Ein gutes Selbstwertgefühl helfe allerdings, mit Frust und Ablehnung umzugehen. Und gute Erfahrungen aus vorherigen Beziehungen schützten ebenfalls. „Wir haben festgestellt, dass Menschen mit einem sicheren Bindungsmuster weniger an Dating-Burnout leiden.“ Dagegen seien Personen mit einem ängstlichen Bindungsstil häufiger davon betroffen.

Die Berliner Psychotherapeutin Lisa Scharf sagt, zu den möglichen Burnout-Symptomen beim Online-Dating gehörten emotionale Erschöpfung, Zynismus und auch das Gefühl, nicht genug zu sein. „Betroffene berichten auch immer wieder, dass sie sehr stark grübeln, andauernd ihre eigenen Handlungen, ihre Nachrichten hinterfragen, und auch so ein suchtartiges Nutzungsverhalten aufweisen.“ Und immer wieder gebe es auch körperliche Stresssymptome wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen und Auswirkungen auf den Appetit.

„Insgesamt kann man von einem großen und auch ernstzunehmenden Leidensdruck der Betroffenen ausgehen“, betont Scharf. Sie litten teils unter Panikattacken oder einer längerfristig niedergeschlagenen Stimmung, Lebensüberdruss oder sogar suizidalen Gedanken: „Dann sollten sich Betroffene auf jeden Fall Unterstützung suchen.“ Die richtigen Ansprechpartner seien in diesem Fall Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.

Scharf rät dazu, einfache Regeln einzuhalten, um nicht in einem Strudel aus Selbstzweifeln zu versinken. Dazu zähle, sich möglichst auf die bestehenden Matches - also potenziell passende Dating-Partner - zu fokussieren, „um wirklich tiefergehende Gespräche zu führen, anstatt immer wieder neue Kontakte zu knüpfen, mit denen sich dann nur sehr oberflächlich ausgetauscht wird“. Weniger sei beim Online-Dating eben doch meist mehr: „Also so ein bisschen das Prinzip Qualität vor Quantität.“

Von Björn Schlüter