Der Verfassungsgerichtshof Berlin hat das geplante Volksbegehren „Berlin autofrei“ für zulässig erklärt. Damit könne das Verfahren der Bürgerbeteiligung fortgesetzt und der Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus beraten werden, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil.
In der mit acht zu eins Stimmen ergangenen Entscheidung heißt es, das geplante Gesetzesvorhaben greife nicht in Grundrechte Einzelner ein. Zudem sei das Land Berlin befugt, als Gesetzgeber in dieser Frage tätig zu werden. Der Gesetzentwurf verfolge überragend wichtige Gemeinwohlziele wie den Schutz der Gesundheit sowie den Umwelt- und Klimaschutz. Bei der Entscheidung sei berücksichtigt worden, dass Sondernutzungserlaubnisse etwa für den Güterverkehr oder Menschen mit Behinderungen vorgesehen sind.
Das Gericht hatte den Gesetzentwurf „Berlin autofrei“ auf Antrag der Senatsinnenverwaltung geprüft. Diese ist der Auffassung, der Gesetzentwurf sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Er sieht den Angaben zufolge unter anderem vor, dass der Kfz-Verkehr im Innenstadtbereich einschließlich des Parkens nach einer Übergangszeit von vier Jahren nur noch eingeschränkt zulässig ist. Pro Person sollen dann nur noch zwölf Privatfahrten im Jahr erlaubt sein.
Die Sprecherin der Initiative, Marie Wagner, erklärte zum Urteilsspruch: „Die Zukunft Berlins gehört der Sicherheit, dem Klimaschutz und der Gesundheit aller Berlinerinnen und Berliner - und nicht dem hemmungslosen Autoverkehr.“ Die Initiative hatte nach eigenen Angaben bereits 2021 mehr als 50.000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt.
Der Vorstand für Verkehr im ADAC Berlin Brandenburg, Martin Koller, kritisierte: „Einseitige Einschränkungen wie bei 'Berlin autofrei' setzen falsche Prioritäten.“ Für den Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg, Alexander Schirp, stellt das Volksbegehren einen „schweren Schlag für die Wirtschaft der Hauptstadtregion“ dar.
Die Senatsverwaltung für Inneres erklärte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), die Entscheidung habe Klarheit geschaffen. Sie werde „entsprechend der gesetzlichen Vorgaben der Verfassung von Berlin sowie des Abstimmungsgesetzes alle erforderlichen Verfahrensschritte unverzüglich einleiten“.
Im nächsten Schritt sei der Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus zu beraten. Sollte das Abgeordnetenhaus diesen ablehnen, kann ein Volksbegehren, die Vorstufe des Volksentscheides, beantragt werden. Einen Volksentscheid gibt es, wenn mindestens sieben Prozent der Stimmberechtigten dem Volksbegehren zustimmen.
Verfassungsrichter Christian Burholt erklärte in einem Sondervotum, er halte das Volksbegehren für „unzulässig, weil es dem Grundgesetz und der Verfassung von Berlin widerspricht“.
Die neun Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes werden vom Abgeordnetenhaus von Berlin mit Zweidrittelmehrheit für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt. Drei der Richter sind aus dem Kreis der Berufsrichter zu wählen, drei weitere müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Alle Richter sind ehrenamtlich tätig.