Wenn Kirche und Kunst für den guten Zweck zusammenfinden
Seit fast 30 Jahren Auktion für Flüchtlingsprojekte in Berlin
Berlin (epd).

Die Idee kam bei einem „weinseligen Abend“ bei ihm zu Hause, erinnert sich Hanns Thomä. Der damalige Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg hatte 1995 von der Kirchenleitung den Auftrag bekommen, gemeinsam mit dem landeskirchlichen Ausländerausschuss neue Geldquellen für die kirchliche Flüchtlings- und Ausländerarbeit zu erschließen. Wegen sinkender Zuschüsse und dem Wegfall finanzieller Unterstützung war die Existenz zahlreicher Ausländer- und Flüchtlingsprojekte in Berlin und Brandenburg bedroht.

Viele nach der deutschen Wiedervereinigung mühsam aufgebauten Sozial- und Beratungsstrukturen drohten Mitte der 1990er Jahre wegzubrechen, weil die Stellen nicht mehr wie bislang über ABM finanziert wurden. Mit den staatlich bezuschussten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) wurden in den 1990er Jahren die hohen Arbeitslosenzahlen besonders in Ostdeutschland etwas abgemildert. Allerdings waren die ABM zumeist auf höchstens zwölf Monate befristet.

Huber und Schmalz-Jacobsen als Unterstützer

„Ich hatte deshalb mehrere Leute zu mir nach Hause eingeladen, damit wir beratschlagen, wie es weiter geht“, erzählt Thomä. Der Wein floss, und da sei in der Runde die Idee mit der Kunstauktion entstanden: „Niemand von uns hatte eine Ahnung, aber wir fanden schnell Menschen, die etwas davon verstanden.“

Die Idee fand auch sonst große Unterstützung. Viele Künstlerinnen und Künstler sowie Privatleute spendeten Kunstwerke zum Versteigern. Der damalige Berliner Bischof Wolfgang Huber und die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), übernahmen die Schirmherrschaft.

54.000 Mark bei erster Kunstauktion

„Schon die erste Kunstauktion war ein voller Erfolg“, erinnert sich Thomä. Rund 250 Bilder, Skulpturen, Bücher und kunstgewerbliche Gegenstände kamen am 13. Oktober 1996 in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche unter den Hammer. Darunter waren auch eine Max Liebermann-Radierung, Aquarelle des Berliner Malerpoeten Kurt Mühlenhaupt und eine Zeichnung von Loriot.

Die Einstiegspreise lagen zwischen 50 und mehreren Tausend Mark. Den Höchstpreis erzielte die Gouache „Die Schlemmerei“ mit 5.800 Mark. Insgesamt erbrachte die Auktion rund 54.000 Mark, die in die Flüchtlingsberatungsstelle der Berliner Heilig-Kreuz-Gemeinde und die kirchliche Verfahrensberatungsstelle in Eisenhüttenstadt flossen.

Konzertgitarre von Klaus Hoffmann

Bereits in den ersten sechs Jahren erzielte die nun jährlich im Herbst stattfindende Versteigerung einen Erlös von rund 240.000 Euro. Unter den Schirmherren waren auch Schriftsteller Günter Grass und Maler Johannes Grützke. Nicht immer war es Kunst, die versteigert wurde. So ging 2004 eine eigens von Sänger Klaus Hoffmann signierte Konzertgitarre für 340 Euro weg.

Thomä, mittlerweile Integrationsbeauftragter in der 2004 gebildeten Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, organisierte und leitete die kirchlichen Kunstauktionen bis 2022. „Dann wurde es Zeit für einen Neustart“, sagt er: „Wir, das Team, die Künstler und das Publikum wurden immer älter. Verstärkt durch die Pandemie ist es uns nicht mehr gelungen, mit der Auktion ein junges Publikum zu erreichen.“ Der Erlös lag 2022 nur noch bei 15.000 Euro.

Neues Konzept

Seit 2023 liegt die Kunstauktion in den Händen des landeskirchlichen Kunstbeauftragten und Direktors der kirchlichen Kunststiftung St. Matthäus, Hannes Langbein. Anders als in den Vorjahren können Arbeiten nicht mehr einfach eingereicht werden, sondern ausgewählte Künstlerinnen und Künstlerinnen werden angefragt. Die Auswahl der Werke trifft eine Jury, die auch mit Kuratorinnen und Kuratoren besetzt ist.

Die Kunstauktion zog zudem von der Heilig-Kreuz-Kirche in die St. Matthäus-Kirche am Berliner Kulturforum um. Zur Premiere des neuen Konzepts vor zwei Jahren kamen 55 Kunstwerke unter den Hammer, darunter Arbeiten von Norbert Bisky und Maximilian Magnus. 33 Werke wurden versteigert. Der Gesamterlös betrug am Ende 35.400 Euro.

Exklusive Kunstereignisse

Die 30. Jubiläumsausgabe am 29. November findet in Kooperation mit dem Auktionshaus Grisebach statt. Zur Auktion kommen wieder mehr als 50 Werke zeitgenössischer Kunst, unter anderem von Elvira Bach und Leiko Ikemura. Sie sind von Donnerstag an in der St. Matthäus-Kirche zu sehen.

Darüber hinaus beteiligen sich die Anrainerinnen des Kulturforums mit exklusiven Kunstereignissen, die meistbietend ersteigert werden können. Darunter sind Backstage-Einblicke in die Gemäldegalerie, eine Generalprobe der Berliner Philharmoniker und eine Führung im neu entstehenden Museum „berlin modern“.

Im vergangenen Jahr lag der Erlös bei 37.700 Euro. Seit 1996 sind so Gesamterlöse von mehr als 920.000 Euro für die kirchliche Flüchtlings- und Integrationsarbeit erzielt worden.

Von Markus Geiler (epd)