Mehr Thüringer unzufrieden mit Demokratie in Deutschland
Erfurt (epd).

Nur etwa vier von zehn Menschen in Thüringen sind mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland zufrieden. Laut den Autoren des am Dienstag in Erfurt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorgestellten Thüringen-Monitors 2024 ist das ein neuer Tiefstwert in der erstmals im Jahr 2000 erhobenen Befragung. Immerhin hielten neun von zehn Menschen in Thüringen die Demokratie weiterhin für die beste aller Staatsformen.

Im Vergleich zu den Vorjahren führt die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie laut Befragung aber nicht zu einer zunehmenden Verklärung von Diktaturen. Dennoch stimmten immerhin 14 Prozent der Befragten der Aussage zu, wonach der Nationalsozialismus seine guten Seiten gehabt habe. 41 Prozent der Befragten meinten, die DDR habe mehr gute als schlechte Seiten gehabt.

Die wissenschaftliche Leiterin des Thüringen-Monitors, Marion Reiser, erklärt sich die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit unter anderem aus dem Eindruck, dass die Politik nicht ausreichend die Interessen der Bevölkerung vertritt. Die Menschen sorgten sich, durch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen auf die Verliererseite des Lebens zu geraten. Es gehe bei den meisten Thüringerinnen und Thüringern also nicht um eine Ablehnung der Demokratie, sondern um enttäuschte Erwartungen. Das sei ein ernstes, aber auch ein bearbeitbares Signal an Politik und Institutionen.

Eine Zunahme sehen die Forschenden bei antisemitischen Einstellungen in Thüringen. Während der völkische Antisemitismus auf einem sehr niedrigen Niveau bleibe, zeige der Thüringen-Monitor einen deutlichen Anstieg von 39 auf 48 Prozentpunkte bei der Zustimmung zu Verharmlosungen der Verbrechen des Nationalsozialismus.

Mit 63 Prozent Zustimmung teilen zudem so viele Thüringer wie noch nie in der Erhebungszeit des Thüringen-Monitors die Vorstellung einer gefährlichen Überfremdung Deutschlands. Nur 2018 waren mit 60 Prozent der Befragten fast ebenso viele Menschen im Freistaat darüber besorgt. Die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen ist in Thüringen im Vergleich zu 2023 konstant geblieben. Etwa jeder fünfte Erwachsene im Freistaat teilt rechtsextremistische Sichtweisen.

Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) erklärte, der Thüringen-Monitor zeige, dass die Menschen zu Recht erwarteten, dass die Demokratie auch im Alltag funktioniere. Er nehme diesen Befund sehr ernst. Vertrauen lasse sich nicht verordnen. Es wachse dort, wo Politik Haltung zeige und Wirkung entfalte. Die Ergebnisse des aktuellen Thüringen-Monitors werden wie in jedem Jahr Gegenstand einer Regierungserklärung in der nächsten Sitzung des Landtags sein.

Für die aktuelle Ausgabe des Thüringen-Monitors wurden zwischen Anfang September und Anfang Oktober vergangenen Jahres 1.817 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren befragt. Die Umfrage erfolgte online oder per Telefon.

Der Thüringen-Monitor ist eine seit 2000 jährlich erhobene repräsentative Befragung zur politischen Kultur im Freistaat Thüringen. Ein besonderer Fokus liegt dabei jedes Jahr auf der Erforschung rechtsextremer Einstellungen und der Demokratiezufriedenheit.