In der Berliner Synagoge Rykestraße sind am Donnerstag zwei neue Rabbinerinnen ordiniert worden. Die in Tel Aviv geborene Alisa Bach und die im ukrainischen Charkiw geborene Alla Mitelman wurden zuvor am Rabbinerseminar des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs ausgebildet. Beide gehören dem Reformjudentum an und werden künftig auch in liberalen jüdischen Gemeinden tätig sein. Bach gehörte Mitte der 1990er Jahre zu den Mitgründerinnen der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Mitelman leitete bis 2022 eine Reformsynagoge im russischen St. Petersburg.
Alisa Bach berichtete, ihr Weg zur Tora habe damals in ihrem Geburtsland Israel mit der „Erahnung der Schoah in den Gesichtern meiner Eltern begonnen“. Ihre Kollegin Alla Mitelman sagte: „Ich glaube, dass das moderne Judentum reicher wird durch weibliche Stimmen.“
Über die Gemeinde hinausstrahlen
Auf der Ordinationsfeier in Deutschlands größter Synagoge mit rund 200 Gästen aus Politik, Gesellschaft und Religionen sprachen auch Bildungs- und Frauenministerin Karin Prien (CDU) und Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Linke) Grußworte. Prien, die selbst Jüdin ist, erinnerte daran, dass vor 90 Jahren die erste Rabbinerin der Welt, Regina Jonas, in Berlin ordiniert wurde. Sie wurde 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. An die beiden neuen Rabbinerinnen gewandt, sagte Prien: „Ihr Wirken wird über die Gemeinde hinausstrahlen.“
Bundestagsvizepräsident Ramelow betonte, es sei die Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft, dass religiöse Vielfalt sich entfalten kann: „Jeder muss in Deutschland seinen Glauben leben können.“ Es sei nicht banal, wie die Gesellschaft heute mit ihrer jüdischen Geschichte umgeht. „Es schmerzt mich, wenn vor jeder Synagoge Polizei stehen muss und ich darüber nachdenken muss, wann ich meine Kippa aufsetze“, sagte der Linken-Politiker.
„Triumph über das Böse“
Der Leiter des Rabbinerseminars am Abraham Geiger Kolleg, Andreas Nachama, nannte die Ordination einen „Triumph über das Böse“: „Wer hätte am 8. Mai 1945 gedacht, dass hier in dieser Synagoge mitten in Berlin, der Stadt des Bösen, wieder Rabbinerinnen und Rabbiner ordiniert werden?“ Nachama dankte der Jüdischen Gemeinde Berlin und ihrem Vorsitzenden Gideon Joffe für die große Unterstützung. Ohne deren Engagement könnte das Abraham-Geiger-Kolleg heute nicht mehr existieren.
Das Kolleg ist die erste akademische Rabbiner-Ausbildungsstätte in Deutschland nach der Schoah. Es gehört zur liberalen Strömung des Judentums. Bislang hat das Kolleg 37 Rabbiner und 18 Kantoren ordiniert. Aktuell hat das Kolleg 17 Studierende.
Stehen für gelebtes Judentum
Joffe sagte: „Wir sind stolz, dass das Abraham-Geiger-Kolleg diesen Tag begehen kann.“ Die neuen Rabbinerinnen stünden für gelebtes Judentum. Anfang 2023 hatte die Jüdische Gemeinde die Trägerschaft für das Kolleg übernommen, nachdem Vorwürfe unter anderem des Machtmissbrauchs gegen die vorherige Leitung erhoben worden waren. Die öffentliche Förderung vom Bund von jährlich 380.000 Euro wurde 2024 eingestellt, weil es Zweifel an der Eignung der Gemeinde als Trägerin gab.