Andersens Märchen hören, spielen und neu erzählen
s:37:"Verkleidet als Blume: Jamila Doeffert";
Verkleidet als Blume: Jamila Doeffert
Frankfurter Struwwelpeter Museum zeigt "Der unbekannte Bekannte"
Frankfurt a.M. (epd).

Eine rote, weiße oder blaue Blüte für den Kopf, um in Hans Christian Andersens Märchen vom kleinen Däumling einzutauchen? Oder doch lieber die leuchtend blaue Uniformjacke mit der goldenen Schulterklappe und der goldenen Schärpe, um in die Rolle des kleinen Zinnsoldaten zu schlüpfen? Die Verwandlungsstation mit Kostümen ist eines der interaktiven Elemente der Ausstellung „Der unbekannte Bekannte. Zur Aktualität von Hans Christian Andersen“, die am 24. Juli im Struwwelpeter Museum in Frankfurt am Main eröffnet worden ist. Zu sehen ist die Schau für Kinder und Erwachsene bis 30. November.

Anlässlich des 220. Geburts- und 150. Todestags des dänischen Schriftstellers und Dichters Hans Christian Andersen (1805-1875) macht das Museum auf die Vielfalt seines Werkes aufmerksam. Nicht die Person, sondern das Werk stehe im Vordergrund, sagt die Leiterin des Museums, Beate Zekorn-von Bebenburg, zur Eröffnung der von Studierenden konzipierten Ausstellung, einer Kooperation der Goethe-Universität Frankfurt und des Museums.

Studierende haben Ausstellung konzipiert

Ein Semester lang hätten etwa 30 Studierende der Kinder- und Jugendliteraturforschung, der Skandinavistik und der Germanistik im Seminar „Andersen ausstellen“ an der Schau gearbeitet, sagt die Skandinavistin Frederike Feicht vom Institut für Skandinavistik der Goethe-Universität Frankfurt. Sie hätten die Ausstellung sowohl konzipiert als auch umgesetzt. Dabei hätten sie die Märchenwelt von Andersen im literarischen Raum des Kinderzimmers verortet, in dem die meisten Besucherinnen und Besucher erstmals mit seinen Erzählungen in Berührung gekommen sein dürften.

So steht etwa ein kleiner Sessel mit pinkfarbenem Bezug bereit, um sich darin an einer Hörstation die Märchen von der kleinen Meerjungfrau oder des Kaisers neuen Kleidern vorlesen zu lassen. An der Verwandlungsstation können junge Besucherinnen und Besucher anschließend in ein blau und lila glitzerndes Kostüm mit Flosse und damit in die Rolle der Meerjungfrau schlüpfen oder sich im Scherenschnitt versuchen. Andersen selbst habe „fantastische Scherenschnitte“ gefertigt, sagt die Skandinavistin Feicht.

Märchen sollen neu erfahrbar werden

In der Theorie beschäftigten sich die Studierenden immer wieder mit der Frage, wie Literatur für Kinder zugänglich gemacht werden kann, erklärt die Studentin Paula Freese. Bei diesem Projekt hätten sie die Möglichkeit gehabt, von der Theorie in die Praxis zu kommen, ergänzt ihre Kommilitonin Lola Hartwig. Ziel sei es gewesen, zu „erzählen wie Andersen, nicht von Andersen“, fügte sie hinzu. Mit den interaktiven Elementen, wie der Hörstation oder einem Glücksrad, Fingerpuppen, Papier und Stiften sollten die Märchen für junge Besucherinnen und Besucher jenseits des reinen Konsumierens neu erfahrbar werden.

Die Studierenden haben sich dabei auf die Medien von Andersen beschränkt, auf das mündliche und schriftliche Erzählen sowie auf Bilderbücher und Scherenschnitte. Ein Bildschirm ist in der Ausstellung denn auch nicht zu sehen.

Schautafeln informieren über das Werk des Schriftstellers und seine Gemeinsamkeiten mit dem Zeitgenossen Heinrich Hoffmann (1809-1894), dem Autor des für das Museum namensgebenden Struwwelpeters. Die Erzähler seien sich nicht begegnet, hätten aber voneinander gewusst, sagt Museumsleiterin Zekorn-von Bebenburg.

Beide Erzähler haben mit starken Bildern gearbeitet, um ihre Botschaften zu verdeutlichen, das gefährliche Spiel mit dem Feuer etwa - Andersen im Märchen vom „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ und Hoffmann in der „Gar traurigen Geschichte mit dem Feuerzeug“ um die Figur das Paulinchen - hätten sie auf den fehlenden Schutz und die Vernachlässigung von Kindern aufmerksam gemacht.

„Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern begegnet uns auch heute, vor allem im Globalen Süden“, sagt Zekorn-von Bebenburg. Mit ihren überzeitlichen und symbolischen Geschichten seien die Märchen auch heute aktuell.

Von Renate Haller (epd)