Radeln zu Christen in zehn Ländern
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Carola Mehltretter vor der Lutherkirche in Frankfurt am Main
Frankfurt a.M. (epd).

Ein Ausflug mit dem Fahrrad durch Wald und Feld oder ein gemütlicher Tag auf der Couch? Carola Mehltretter hätte immer die Couch gewählt. Lachend gesteht sie diese Vorliebe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) ein. Deshalb hätten Familie und Freunde auch ziemlich ungläubig reagiert, als sie von ihrem Plan erzählte, ein Jahr lang mit dem Fahrrad unterwegs sein zu wollen, um andere christliche Glaubensgemeinschaften kennenzulernen. Sie hat es geschafft. In ihrem Youtube-Kanal „Rooted as One“ und dem Buch „1 Jahr, 10 Länder und die Challenge meines Lebens“ erzählt sie davon.

Die Social-Media-Managerin ist in einer Familie aufgewachsen, die in einer freien evangelischen Gemeinde engagiert ist. Konfirmiert wurde sie in einer landeskirchlichen Gemeinde in Bad Vilbel, in der Nähe von Frankfurt am Main, wo die Familie lebt. „Das war eine sehr bereichernde Erfahrung“, schwärmt sie. Gebete, Andachten und Gemeindeleben, vieles sei anders gewesen als das, was sie kannte. Mehr von anderen Christinnen und Christen zu erfahren und Verständnis für die verschiedenen Positionen zu entwickeln, hat sie sich deshalb zur Aufgabe gemacht. „Ich wollte wissen, was meine christliche Familie überall auf der Welt tut und wie wir füreinander beten können“, sagt sie.

Carola Mehltretter ist 27 Jahre alt, als sie im März 2023 ihr E-Bike mit 20 Kilo Gepäck belädt, darunter Stativ, Kamera und Drohne für ihre Videos. Sie radelt zuerst von München nach Augsburg, wo sie ein Gebetshaus besucht, lernt Schweden und Holland kennen, fährt nach Schottland und nach Irland. Sie besucht Gottesdienste und Andachten, betet mit zuvor unbekannten Menschen, staunt über das Leben in einer christlichen Kommune im Norden von England.

Tipps und Übernachtungsangebote über WhatsApp-Gruppe

Auf der irischen Insel, in der Republik und in Nordirland, bleibt sie zwei Monate. Es sind die interessantesten Orte ihrer Reise, sagt sie. Mehltretter stellt fest, welche Rolle der Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken noch heute spielt, und hört Geschichten, die Hoffnung auf eine Annäherung machen. Eine Frau, die sich nach ihrer Heirat und einem Umzug einer evangelischen Gemeinde angeschlossen hatte, habe aus Angst vor Zurückweisung jahrzehntelang niemandem von ihrer katholischen Abstammung erzählt. Junge Menschen frage heute jedoch kaum noch jemand nach der Konfession, sondern höchstens danach, ob sie Christen seien oder nicht.

Die junge Frau war mit der Theorie im Kopf losgefahren, überall dort Gemeinschaft zu finden, wo sie andere Christen trifft. „Das hat sich bestätigt“, betont sie. Je länger sie unterwegs war, desto besser habe sich ihr Netzwerk entwickelt. In einer WhatsApp-Gruppe habe sie regelmäßig gefragt, wer jemanden kennt, der ihr am nächsten Ziel Herberge gewähren kann und wo es eine interessante Gemeinde gibt. Sie bekam viele Tipps und viele Übernachtungsangebote. Am Anfang ihrer Reise in Skandinavien hatte sie angesichts der hohen Preise „große Sorge“, dass ihr finanzielles Budget nicht reichen würde. Am Ende hatte sie rund die Hälfte des Geldes übrig, weil sie so oft eingeladen worden war.

Mehr als 4.000 Kilometer gefahren

Unterwegs gewöhnt sich Mehltretter einen Wochenrhythmus an: Montags fährt sie los, zwei bis drei Tage radelt sie, am Donnerstag Pause, um das nächste Video mit den neuesten Erlebnissen für ihren Kanal zu schneiden, am Freitag eventuell noch einmal aufs Rad, dann wieder Gespräche und Gottesdienste an einem neuen Ort.

Bis März 2024 hat Mehltretter schließlich zehn Länder besucht und ist dafür mehr als 4.000 Kilometer gefahren. Genauer weiß sie das nicht, weil ihr der Fahrradcomputer am Lenkrad gestohlen wurde, auf dem sie die Kilometer ablesen konnte. Das machte aber nichts, sagt sie. Sie ist stolz, ihre Reise geschafft zu haben und arbeitet mit Videos weiter an einem digitalen Bild der christlichen Welt.

Ein gutes Jahr nach ihrer Reise ist Mehltretter in Frankfurt umgezogen. Sie sei glücklich, ein Arbeitszimmer zu haben, das sie gleichzeitig als Gästezimmer nutzen kann, erzählt sie. Die Gastfreundschaft, die sie selbst erfahren habe, wolle sie unbedingt auch anderen gewähren.

Von Renate Haller (epd)