
Nach dem ersten Jubel über den neuen Papst, der am Abend des 8. Mai über den Petersplatz brandete, gab es in vielen Köpfen von Beobachtern Fragezeichen. „Ich kenne den Mann nicht“, sagt eine Italienerin, die nach der Vorstellung des neuen Oberhauptes der katholischen Kirche noch auf dem Platz steht und zum Petersdom schaut.
Dort, auf der Mittelloggia der Basilika, hatte Robert Francis Prevost kurz zuvor als Papst Leo XIV. den Segen „Urbi et Orbi“ (Der Stadt Rom und dem Erdkreis) gespendet. Die Kardinäle hatten ihn in der Sixtinischen Kapelle am zweiten Tag des Konklaves zum Nachfolger des verstorbenen Papst Franziskus gewählt.
Erster US-Amerikaner an der Spitze der katholischen Kirche
Prevost ist der erste US-Amerikaner, der dieses Amt innehat. Und der Erste aus dem Orden der Augustiner. Die lange Zeit, die er als Missionar und später als Bischof in Peru verbracht hat, machen ihn eher zu einem „Papst der Amerikas“ - Prevost hat neben der amerikanischen auch die peruanische Staatsbürgerschaft. Die Wahl von Prevost ist der perfekte Kompromiss eines Konklaves, das von seiner Herkunft her so divers war wie nie zuvor.
Geboren wurde Robert Francis Prevost am 14. September 1955 in Chicago (Illinois). Sein Vater hat französische und italienische Wurzeln, die Mutter spanische. Seine erste Ansprache als Papst hielt Prevost am Donnerstagabend auf Italienisch - und wechselte zum Gruß des peruanischen Volkes teilweise ins Spanische. Englisch sprach er hingegen zunächst nicht.
Beginnt Pontifikat mit Friedensgruß
Leo XIV. machte in seiner ersten Ansprache deutlich, was von ihm zu erwarten ist. „Der Friede sei mit euch allen“, lauteten seine ersten Worte an die Welt. „Helft uns, durch Dialog und Begegnung Brücken zu bauen, die uns alle zu einem einzigen Volk vereinen, das immer in Frieden lebt“, sagte Leo weiter. Und schließlich: „Danke, Papst Franziskus!“
Damit ist klar: Das Pontifikat von Leo XIV. wird keine Abkehr von den Prinzipien seines Vorgängers. Vor allem, was die Themen Migration, Klimaschutz und Fürsorge für die Armen angeht, scheint Prevost auf einer Linie mit Franziskus zu sein, der ihn 2023 zum Kardinal gemacht hatte. Zuletzt leitete Prevost die für die Bischöfe zuständige Vatikanbehörde - und war dadurch vielen bekannt.
Programmatische Namenswahl
Die Wahl des Namens Leo XIV. zeigt, wo sein Fokus liegen könnte. Papst Leo XIII. (1878 - 1903) galt als politischer Papst. In der Zeit der Industrialisierung verfasste er die erste Sozialenzyklika der katholischen Kirche mit dem Titel „Rerum Novarum“. Seine Anteilnahme an sozialen Themen brachte ihm die Bezeichnung „Arbeiterpapst“ ein.
Papstsprecher Matteo Bruni betonte am Donnerstagabend, die Namenswahl sei eindeutig „ein Verweis auf das Leben von Männern und Frauen, auf ihre Arbeit - auch in einem Zeitalter, das von künstlicher Intelligenz geprägt ist“.
Ebenfalls in der Fortsetzung des Pontifikats seines Vorgängers betonte Leo, dass es wichtig sei, die Synodalität in der katholischen Kirche fortzuführen. „Wir wollen eine synodale Kirche sein.“ Viele Beobachter gehen davon aus, dass er die Weltsynode im Sinne von Franziskus fortführen wird.
Sieht Weihe von Frauen kritisch
Ob die Hoffnungen auf ein Diakonat für Frauen erfüllt werden, darf aber bezweifelt werden. Wie Franziskus gilt zwar auch Prevost als Förderer von Frauen in verantwortlichen Kirchenämtern - einer Weihe steht er aber kritisch gegenüber.
Ein Schatten fällt allerdings auch auf den neuen Mann auf dem Heiligen Stuhl. Vor wenigen Wochen hatte ihm die internationale Missbrauchsbetroffenen-Vereinigung Snap vorgeworfen, in seiner Zeit in Chicago sowie als Bischof in Chiclayo (Peru) Missbrauchsfälle vertuscht oder nicht konsequent verfolgt zu haben. Prevost ist einer von insgesamt sechs Kardinälen, gegen die Snap im Vatikan Anzeige erstattete.
„Schmutzkampagne“?
Sowohl er als auch die Diözese Chiclayo wiesen die Anschuldigungen zurück. Der Peruanische Investigativjournalist Pedro Salinas nennt das Vorgehen von Snap „eine Schmutzkampagne“ gegen Prevost, der sich anders als behauptet auf die Seite der Opfer gestellt habe.
Klar ist: Der neue Papst wird nicht zurückkehren in Zeiten von Prunk und Protz. Seine Bescheidenheit demonstrierte Leo bei der ersten Messe als Papst am 9. Mai. Er trug einfache, schwarze Schuhe. Als Kardinal hatte Prevost in einem Interview gesagt, ein Bischof sei „zum Dienen“ berufen: „Der Bischof soll kein kleiner Prinz sein, der in seinem Reich sitzt, sondern er ist authentisch dazu berufen, demütig zu sein, den Menschen, denen er dient, nahe zu sein.“