Die besonderen Rechte der Kirche als Arbeitgeberin
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Bundesverfassungsgericht Karlsruhe
Fragen und Antworten zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Berlin (epd).

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Kirchliche Arbeitgeber können bei Bewerbungen grundsätzlich eine Kirchenmitgliedschaft verlangen. Allerdings gibt es bestimmte Grenzen. Fragen und Antworten zu der Entscheidung:

Worum geht es?

Ausgangspunkt ist der sogenannte Fall Egenberger: 2012 bewarb sich die Sozialpädagogin Vera Egenberger als Referentin beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Es ging um eine Stelle, die sich mit der Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention in Deutschland befassen sollte. In der Ausschreibung wurde eine Kirchenmitgliedschaft verlangt. Die konfessionslose Egenberger kam nicht zum Zuge und klagte wegen religiöser Diskriminierung.

Wie entschieden die Gerichte bislang?

Der Fall ging bis zum Bundesarbeitsgericht, das die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte. Nachdem der Gerichtshof in Luxemburg 2018 entschied, dass sich die Kirchen bei Stellenbesetzungen nicht pauschal auf ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht berufen können, sprach das Bundesarbeitsgericht in Erfurt Egenberger wegen Diskriminierung eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zu. Die Diakonie legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

Es hob das Erfurter Urteil auf und verwies den Fall zurück ans Bundesarbeitsgericht. Dieses habe die Belange der religiösen Arbeitgeberseite nicht ausreichend berücksichtigt und so deren Selbstbestimmungsrecht verletzt. Grundsätzlich können Gerichte der Karlsruher Entscheidung zufolge prüfen, inwieweit eine konkrete Tätigkeit bei einem kirchlichen Arbeitgeber „für die Wahrung des religiösen Selbstverständnisses geeignet, erforderlich und angemessen“ ist. Davon hänge ab, inwieweit eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden könne.

Auf welche Rechtsgrundlagen verweist das Bundesverfassungsgericht?

In der Entscheidung geht es vor allem um die Abwägung zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie. Das Selbstbestimmungsrecht ist in den Grundgesetzartikeln 4 und 140 festgeschrieben: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“, heißt es in Artikel 4, und weiter: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ In Artikel 140 wird auf die Weimarer Reichsverfassung von 1919 verwiesen, die den Satz enthält: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“

Die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie soll unter anderem „Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung“ bekämpfen. Sie besagt aber auch, dass eine solche Ungleichbehandlung rechtens sein kann, wenn es um „eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ beispielsweise in der Anstellung bei einer Kirche geht. Eine entsprechende Klausel findet sich auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das die Richtlinie in deutsches Recht umsetzt.

Sind bei kirchlichen Organisationen bislang alle Beschäftigten Kirchenmitglieder?

Nein. Die evangelische und katholische Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas zählen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland - wegen des anhaltenden Rückgangs der Mitgliedszahlen können sie gar nicht mehr jede Stelle mit Kirchenmitgliedern besetzen. Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche haben inzwischen andere Richtlinien zum Umgang mit der Konfession von Mitarbeitenden als im Jahr 2012. Eine Kirchenmitgliedschaft ist nur noch für bestimmte Positionen Voraussetzung.

Von Christina Neuhaus und Corinna Buschow (epd)