Somalische Basketballerinnen erspielen sich Freiräume
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Basketballerinnen trainieren auf einem neu eingeweihten Basketballfeld in Garowe.
Garowe (epd).

Hamda Abdullahi strahlt, freut sich über den Applaus der Zuschauer: Gerade hat sie einen Korb geworfen, jetzt spielt sie den Basketball einer Teamkollegin zu. Die Frauen trainieren in Garowe, der Hauptstadt von Puntland. Die halbautonome Region liegt im Norden Somalias.

„Das Spielen macht mich glücklich“, sagt die 25-Jährige. „Und auch ein bisschen stolz.“ Tatsächlich ist es nicht selbstverständlich, dass sich Hamda und die anderen Frauen auf diesem Hügel mit Blick über Garowe Bälle zuspielen und auf Körbe zielen. Denn in Somalia gilt es als unschicklich, dass Frauen Hosen tragen. Das aber tun die Spielerinnen: die eine Mannschaft blaue, die andere rote Trainingsanzüge. Dazu schwarze Kopftücher, die bis zur Brust reichen.

Auf dem Basketballfeld gilt einfach ein anderer Dresscode als im Alltag

„Beim ersten Mal habe ich mich sehr geschämt, so gekleidet zu sein“, gibt Hamda zu. Aber nach einigen Wochen habe sie sich daran gewöhnt. „Inzwischen weiß ich: Auf dem Basketballfeld gilt einfach ein anderer Dresscode als im Alltag.“ Anfangs hätten auch ihre Eltern einigen Druck auf sie ausgeübt, „aber mit der Zeit konnte ich sie umstimmen.“

Inzwischen spielt Hamda schon seit sechs Jahren Basketball. Dass es diese Möglichkeit gibt, hat sie 2019 eher zufällig erfahren: Jemand erzählte ihr von dem Projekt, das damals noch von der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bezahlt wurde. Hamda wusste sofort, dass sie mitmachen wollte: Sie wusste noch gut, wie viel Spaß ihr der Sportunterricht in der Grundschule gemacht hatte.

Inzwischen war sie in der weiterführenden Schule und fühlte sich unter großem Druck: Ihre Eltern wollten, dass sie die Schule abbricht, vor allem aus finanziellen Gründen. Hamda dagegen lernte gerne und wollte den Unterricht nicht missen. „Das alles hat mich sehr belastet“, sagt sie heute.

Konservative Gesellschaft steckt enge Grenzen

Für ihre Zukunft sah die damals 19-Jährige schwarz. Tatsächlich findet ein Drittel der jungen Menschen in Puntland keine Stelle. „Ich dachte sogar daran, in die irreguläre Migration zu gehen, um etwas ganz anderes zu versuchen“, erzählt sie. Viele ihrer Freunde und Bekannten hätten das damals gemacht. „Sie zahlten keine Schlepper, sie schlossen sich einfach zu Gruppen zusammen und zogen los.“

Alle hätten ihr geraten, die Route über Libyen zu versuchen - ein Land, das für brutale, kriminelle Netzwerke berüchtigt ist, die Migrantinnen und Migranten in regelrechten Foltercamps gefangen halten und quälen, um von Verwandten Lösegeld zu erpressen. „Ich wusste damals noch nicht viel über Menschenschmuggel“, sagt Hamda. Inzwischen habe sie sich informiert und sei mehr als froh darüber, den Rat ihrer Freunde nicht befolgt zu haben. Dabei half ihr auch der Sport. „Wenn ich ausgepowert vom Training nach Hause kam, war ich zufrieden und wollte nur noch schlafen.“

In Garowe haben junge Mädchen und Frauen ansonsten nicht viele Möglichkeiten, außerhalb der Familie auf andere Gedanken zu kommen und sich auszuprobieren - die konservative Gesellschaft steckt ihnen enge Grenzen. Der Sport habe ihre finanziellen Probleme nicht gelöst, sagt Hamda, „aber er macht mich glücklich“.

GIZ-Projekt ist abgeschlossen

Sie habe jetzt viele Freundinnen und es falle ihr leichter, Kontakt aufzunehmen. Mittlerweile konnte sie sogar studieren, und zwar Wirtschaftswissenschaften. Einen Job hat sie trotzdem noch nicht, aber mittlerweile genug Zuversicht, um zu Hause nach Chancen zu suchen.

Während Hamda beim Training bei den Blauen spielt, gehört Roda Barka zur roten Mannschaft. Sie ist mit 18 Jahren die jüngste im Team und wie Hamda schon seit sechs Jahren dabei. Ein ganzes Jahr lang ging sie ihrer neuen Leidenschaft heimlich nach, weil auch ihre Eltern strikt dagegen waren. Aber wie auch die Eltern von Hamda gaben sie schließlich nach, weil sie sahen, wie wichtig der Sport für ihre Tochter ist.

Nach der Schule hilft Roda ihrer Mutter in deren Friseursalon, damit die Familie über die Runden kommt. Und um sich das Schulgeld zu verdienen: Weil auch ihre Familie finanziell nicht sehr stabil ist, musste Roda die Schule zwischenzeitlich unterbrechen. Jetzt holt sie den Abschluss nach, finanziert von dem, was sie selbst verdient. Ihr berufliches Ziel hat sie schon klar vor Augen: „Ich möchte Basketball spielen, als Profi.“

Vor einem Jahr war sie bereits bei einem Spiel der somalischen Nationalmannschaft dabei, Roda reiste dafür in die Hauptstadt Mogadischu. Das GIZ-Projekt ist längst abgeschlossen, doch die Frauen trainieren regelmäßig weiter. Einige von denen, die an diesem Nachmittag auf dem Spielfeld in Garowe trainieren, hoffen auf eine Zukunft im Profi-Sport.

Von Bettina Rühl (epd)