Sehnsucht nach Innerlichkeit und der Natur
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"Sehnsucht nach Utopia. Malerei und Skulptur der Romantik"
Malerei und Skulptur der Romantik im Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Remagen (epd).

Carl Spitzweg lässt einen Soldaten sehnsüchtig in die Ferne blicken, Frederik Rohdes Jäger wird eins mit einer kargen Felslandschaft und bei Oswald Achenbach verschmelzen Menschen gleichsam mit einer Waldlichtung. Die Sehnsucht nach der verlorenen Einheit von Mensch und Natur ist eines der zentralen Themen der Romantik. Dies mag einer der Gründe sein, warum die Epoche aktuell wieder besondere Aufmerksamkeit erfährt.

Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck, das selbst an einem der romantischsten Abschnitte des Rheins beheimatet ist, bietet nun in einer kleinen, aber feinen Sonderausstellung einen Einblick in die wichtigsten Aspekte der romantischen Ideenwelt. Zugleich verdeutlicht die Schau unter dem Titel „Sehnsucht nach Utopia. Malerei und Skulptur der Romantik“, dass die Epoche nach wie vor in aktuellen künstlerischen Positionen widerhallt.

Die Ausstellung präsentiert 68 Gemälde, Aquarelle, Grafiken, Skulpturen sowie Objekte aus der Frühromantik ab 1770 bis zur Neoromantik um 1900. Darunter sind Arbeiten berühmter romantischer Maler wie Caspar David Friedrich, Carl Spitzweg und Johann Martin von Rohden. Vertreten sind aber auch Werke von Künstlerinnen und Künstlern am Übergang zur Moderne wie Edgar Degas, Max Liebermann und Mary Cassatt. In drei Kapiteln führt die Ausstellung durch die großen Themen der Romantik: Die romantische Liebe, die Hinwendung zur Natur und die Bedeutung des Traumes.

Die Ausstellung empfängt das Publikum mit einer Ausgabe von Johann Wolfgang von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“. In der Romantik waren Literatur und bildende Kunst eng miteinander verflochten. Und der „Werther“ galt als einer der prägendsten Romane der Epoche. Er vertrat das romantische Liebesideal: Ehe auf Grundlage von Liebe anstelle von Zweckheirat.

Johann Peter Hasenclever malt 1846 „Die Sentimentale“: Eine junge Frau, die sehnsüchtig ins Mondlicht vor ihrem Fenster schaut. Hinter ihr auf einem Tisch liegt ein Brief und ein Medaillon mit dem Bild des Geliebten sowie eine Ausgabe des „Werther“. Das neue Liebesideal überträgt sich auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Das Porträt des Count of Abingdon und seiner Familie von John Francis Rigaud zeigt Ehegatten und Kinder in inniger Verbundenheit.

Die zunehmende Verstädterung und Industrialisierung erweckten nicht nur das Bedürfnis nach Innerlichkeit und menschlicher Nähe, sondern auch die Sehnsucht nach der Natur. Die Landschaftsmalerei wurde zur führenden Gattung der Zeit. Der Philosoph und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau ruft 1750 in seiner „Abhandlung über die Wissenschaften und Künste“ zu einem Zurück zur Natur auf. „Es ist der Beginn ökologischen Denkens und zugleich eine mahnende Stimme, die dem Fortschrittsglauben Einhalt und Maß gebieten will“, stellt Kuratorin Susanne Blöcker fest.

Dieses Gefühl schlägt sich nieder in romantischen Landschaftsbildern wie den „Kaskaden von Tivoli“ (1825) von Johann Martin von Rohden. Die Menschen, die das Naturspektakel auf einem Felsen stehend bestaunen, sind winzig im Vergleich zu den herab rauschenden Wassermassen. Das Bild drückt Demut vor der Macht der Natur aus.

Der leichte Schauder, den dieses Bild vermittelt, ist durchaus Markenzeichen der Romantik. Denn die Künstler der Epoche entdecken den Traum mit seinen utopischen aber auch unheimlichen Seiten. Friedrich Nerlys düsteres Gemälde „Die Geisterseher“ (ca. 1855) etwa steht für den Glauben an die Verbindung ins Jenseits. Es ist auch die Zeit der Märchen und Sagen - teils gesammelt durch die Gebrüder Grimm oder aber auch Neuerfindungen. Fantastische Geschichten wie „Der Traumkönig und sein Lieb“ aus einem Gedicht von Emanuel Geibel finden sich in Gemälden wieder wie dem von Franz Maria Ingenmey.

Mit zeitgenössischen Arbeiten von Jonathan Meese, Caroline Bittermann und Peter Duka sowie Aron Demetz schlägt die Ausstellung den Bogen in die Gegenwart. Bittermann und Duka etwa beriefen sich bei ihren Entwürfen zu den „Geheimen Gärten Rolandswerth“ auf ein Zitat des romantischen Dichters Novalis. Zu sehen ist unter anderem das Modell des bepflanzten Turms, der das Herzstück des Parks in der Nähe des Arp Museums bildet.

Meese griff mit seiner Skulptur „Doc Flashflesh - Feuerrotes Erzdrachenbaby“ (2008) auf alte germanisch-keltische Mythenstoffe zurück. Die Skulptur „Heimat“ (2014) von Aron Demetz stellt eine mit einem Wurzelstock verbundene Figur dar, die die romantische Sehnsucht nach symbiotischer Natur-Verbundenheit ausdrückt. Die Ausstellung zeigt einen Entwurf. Das Original steht unweit des Museums am Rhein. „Die Romantik ist nicht zu Ende“, stellt Kuratorin Blöcker fest.

Von Claudia Rometsch