
Unmögliche Verrenkungen in einem engen Glaskubus, Akrobatik in einem Kreiselrad und ein Rockkonzert mit Riesenmaulwürfen: Gleich drei Stücke eröffnen am 5. Mai das deutsch-französische Festival Perspectives in Saarbrücken. „Wir wollten mit der Kombination von diesen drei Stücken zeigen, wie groß die Bandbreite des Festivals ist“, sagte Festivalleiterin Kira Kirsch am Montag. Am und im Saarbrücker E-Werk sind „Passages“ von Alice Rende, „Roue giratoire“ der Gruppe „Les filles du renard pâle“ und die „Maulwürfe (Les Taupes)“ von Regisseur Philippe Quesne zu erleben. Bis zum 14. Mai stehen bei der 47. Festivalausgabe insgesamt 15 Gastspiele, drei Kinofilme, zwei Konzerte und zwei Workshops an über 20 Orten in Deutschland und Frankreich auf dem Programm.
Die Genres reichen von Theater und Tanz über Zirkus und Musik bis hin zu Performance und Film. Die Übergänge seien fließend und vieles bewege sich im Zwischenraum, erläuterte Kirsch. Die Aufführungen befassen sich etwa mit Handysucht, dem Älterwerden als Künstlerin oder Ökologie. Regisseur Quesne bietet neben seinen Maulwürfen mit dem Theaterstück „Farm Fatale“ eine Aufführung über Vogelscheuchen, die im Gegensatz zu den Menschen überlebt haben und einen Piratensender über aussterbende Naturgeräusche betreiben.
In der nun ersten Ausgabe von Kirsch als Festivalleiterin kommen auch vermehrt immersive Stücke vor: Bei „EOL. End of Life“ des Kollektivs Darum tauchen die Besucherinnen und Besucher dank VR-Brille für 70 Minuten in eine virtuelle Realität ein, in der es um die Spuren geht, die jemand nach dem Tod im digitalen Raum hinterlässt. Mittendrin sind sie auch bei „Au Jardin des Potiniers“ der Compagnie Ersatz: Bei dem Objekttheater muss das Publikum den Kopf durch eine Tischplatte stecken und sieht so, was sich um es herum auf der „Bühne“ abspielt. In „Société Anonyme“ vom Rimini Protokoll werden die Besucherinnen und Besucher von der blinden Musikerin und Performerin Gül Pridat begrüßt, bevor sie in völliger Dunkelheit sitzen und den persönlichen Geschichten von Menschen lauschen.
Kirsch kündigte an, generell einen stärkeren Fokus auf den Abbau von Barrieren legen zu wollen. Perspectives habe dafür mit Expertinnen und Experten in eigener Sache zusammengearbeitet. In diesem Jahr liegt den Angaben zufolge der Fokus auf blinde und gehörlose Menschen sowie solche mit Mobilitätseinschränkungen. So gebe es beispielsweise für einige Veranstaltungen Gebärdendolmetscher.
Für die diesjährige Ausgabe gibt es von der Stadt Saarbrücken 225.000 Euro, vom Saarland 255.000 Euro, vom Département Moselle und der französischen Seite insgesamt 110.000 Euro und von Sponsoren 165.000 Euro, wie die Vorsitzende des Vorstands der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit, Doris Pack, berichtete. Zudem rechne das Festival mit Ticketeinnahmen und sonstigen Einnahmen in Höhe von etwa 180.000 Euro.
Die saarländische Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) bezeichnete Perspectives als ein Festival, welches jedes Jahr aufs Neue fasziniere. Es sei ein Raum für neue Gedanken und überraschende Sichtweisen. Genau diesen Austausch brauche es in der heutigen Zeit. Der Vize-Präsident des Département Moselle, Gilbert Schuh, erläuterte, dass sich jedes Jahr zwar etwas ändere, es jedoch immer um den deutsch-französischen kulturellen Raum gehe.
Das deutsch-französische Festival wurde 1978 als „Woche des jungen französischen Theaters“ gegründet. Es ist das einzige Kulturfestival, das sich gleichermaßen deutsch- wie auch französischsprachiger Bühnenkunst widmet. Fremdsprachenkenntnisse sind weder für die französische noch für die deutsche Seite eine Voraussetzung. Je nach Platzverfügbarkeit bei den einzelnen Stücken zählt das Festival im Durchschnitt über 10.000 Besucherinnen und Besucher.