"Mörderische Schwestern" schreiben Krimis
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"Mörderische Schwestern" schreiben Krimis
Netzwerk will Krimiliteratur von Frauen fördern
Speyer (epd).

Der Zapfhahn schießt dem feiernden Papa ins Auge. Das Hirn liegt „wie eine Zierkirsche“ neben der Leiche, „eine große Blutlache ist unter dem Kopf“. Wer war der Mörder in der tragikomischen Kurzgeschichte „Der Vatertagsausflug“? Krimilesung im evangelischen Seniorenstift Bürgerhospital der Diakonissen Speyer: Heidi Moor-Blank und Kirsten Sawatzki gehen genüsslich über Leichen. Sie gehören zu den „Mörderischen Schwestern“, einem Netzwerk von rund 800 Autorinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihr Ziel ist es, die von Frauen geschriebene deutschsprachige Kriminalliteratur zu fördern.

Eine Heimbesucherin im Rollstuhl schlägt verzückt die Hände zusammen, andere Senioren hören mit großen Augen zu. „Leseabend am Lebensabend“ heißt das Projekt, das Damen der Regionalgruppe Rhein-Neckar/Südwest des Netzwerks regelmäßig in Altenheimen anbieten. Noch bis Samstag richten die 56 Mitglieder aus der Pfalz, Nordbaden und dem Saarland in Speyer das „Ladies Crime Festival“ aus, bei dem rund 100 Krimiautorinnen aus ihren Werken lesen.

„Auch Frauen können böse und blutig sein“

Ein roter, hochhackiger Damenschuh steht in einer Blutlache. Das Plakat zu dem Krimifestival, das jährlich von einer der 14 Regionalgruppen ausgerichtet wird, zeugt vom Selbstbewusstsein der „Mörderischen Schwestern“. „Böse und blutig sein können nicht nur Männer“, sagt Kirsten Sawatzki, die in der Nähe von Ludwigshafen wohnt. Der Verein der Krimiautorinnen, die oft in Rot und Schwarz gekleidet auftreten, gründete sich vor 20 Jahren als deutscher Ableger der US-amerikanischen Vereinigung „Sisters of Crime“.

Noch immer würden Krimis schreibende Frauen nicht wirklich ernst genommen, ärgert sich Heidi Moor-Blank. Buchverlage setzten vor allem auf männliche Autoren, von Frauen würden eher Liebesromane oder Kochbücher erwartet, sagt die Autorin, die aus der Nähe von Landau stammt. Deshalb sei das Netzwerk der „Mörderischen Schwestern“ wichtig: Man tausche sich über Veröffentlichungsmöglichkeiten aus, arbeite gemeinsam an Texten, organisiere Schreibworkshops oder hole sich Anregungen bei Vorträgen von Polizisten, Rechtsmedizinern oder auch Tatortreinigern.

Das Leben liefert Mordgedanken

„Tödliche Mutterliebe“, „Gottesbrut“ und „Die Komplizen des Todes“ heißen die drei Romane, die die gelernte Tierarzthelferin Kirsten Sawatzki veröffentlicht hat. Die Ideen für ihre Geschichten liefert das Leben: Wenn sich wieder jemand frech an der Supermarkt-Kasse vorbeidrängelt oder ein Mitarbeiter in der Grünschnittanlage garstig ist, kämen schon „Mordgedanken“ auf, sagt sie.

Auch Frauen haben eine „dunkle Seite“, ergänzt Heidi Moor-Blank, die einst als IT-Fachfrau Handbücher für die Finanzbuchhaltung verfasste. „Als Krimiautorin kannst Du rauslassen, was in Dir schlummert“, sagt sie. Die Ideen kämen meist ganz spontan, beim Gassigehen mit dem Hund oder beim Rasenmähen. „Dann schreibe ich alles in einem Rutsch unter“, sagt Moor-Blank. Die Gedanken von Sawatzki kreisen hingegen oft länger um den „Plot“ - den Handlungsverlauf ihrer Romane.

„Keine guten Krimis ohne intensive Recherche“ lautet die Devise der beiden „Mörderischen Schwestern“. Sawatzki holt sich etwa Tipps von ihrem Schwiegervater, einem ehemaligen Kriminalkommissar. Ärgerlich seien Ungenauigkeiten, wenn etwa die Ludwigshafener „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal mit der Fähre über den Rhein zur Arbeit fahre.

Krimiautorinnen arbeiteten oft unter großem zeitlichen Druck, müssten Familie, Job und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen, erzählt Kirsten Sawatzki aus eigener Erfahrung. Doch sie teilten mit ihrer weiblichen und männlichen Leserschaft eine gemeinsame Leidenschaft: „Man liest Krimis mit seinem Tee auf der Couch und weiß: Es ist alles nur Fiktion.“

Von Alexander Lang