Gewalt als Rahmen der Kunst
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Im Iran sind Frauen laut islamischen Vorschriften nach wie vor verpflichtet, eine lange Jacke und ein Kopftuch zu tragen.
Iranische Künstlerin Farah Ossouli zu Gast im Max Ernst Museum Brühl
Brühl (epd).

Tage war Farah Ossouli unterwegs, um aus dem unter Beschuss stehenden Teheran nach Brühl zu gelangen. Über Aserbaidschan gelang ihr die Ausreise aus dem Iran, um rechtzeitig zur Eröffnung ihrer Ausstellung im Max Ernst Museum einzutreffen. Dort ist eine Einzelschau der 1953 geborenen Malerin zu sehen, die durch den jüngsten Krieg in Nahost ungeahnte Aktualität erhalten hat.

Ossoulis filigrane Zeichnungen im Stil der klassischen persischen Miniaturmalerei kommen auf den ersten Blick harmlos daher. Die feinen Ornamente und Figuren in traditioneller Kleidung verkörpern harmonische Schönheit. Doch bei genauerer Betrachtung erzählen diese Bilder mit feinen schwarzen und goldenen Linien sowie roten Akzenten aber von Gewalt und Unterdrückung.

Für die Ausstellung „Merkꞌ dir den Flug, der Vogel wird sterben“, die bis zum 5. Oktober zu sehen ist, schuf Ossouli eigens eine 15-teilige Werkserie, mit der sie eine Verbindung zum Surrealisten Max Ernst herstellt. Sie reagiert damit auf 15 Blätter aus Ernsts zeitkritischem Collageroman „Une semaine de bonté“ (Eine Woche der Güte) aus dem Jahr 1934. Ihre Beziehung zum Werk Max Ernsts (1891-1976) wurzele in den geteilten historischen Erfahrungen, erklärt Ossouli. „Ernst wuchs inmitten der Weltkriege auf, ich in der Zeit der Revolution, des Iran-Irak-Krieges und anhaltender gesellschaftlich-ideologischer Krisen.“ Gewalt, die Unterdrückung von Frauen und die gesichtslose, verantwortungslose Rolle der Täter seien sowohl in ihrer als auch in Max Ernsts Welt präsent.

Der Titel von Ernsts Collagezyklus bezieht sich auf die 1927 gegründete soziale Einrichtung „Die Woche der Güte“, die der Förderung von Wohltätigkeitszwecken dienen sollte. Die Blätter zeigen jedoch zahlreiche Szenen von Gewalt. Der Zyklus wurde häufig als Vorahnung der Katastrophe des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs interpretiert. Ossouli stellte den 15 Zeichnungen ihrer Serie zugleich Verse der iranischen Dichterin Forough Farrochzad (1935-1967) zur Seite. Sie gilt als iranische Ikone der Freiheit. Der Titel der Ausstellung „Merkꞌ dir den Flug, der Vogel wird sterben“, entstammt einem ihrer Gedichte.

Durch die Verknüpfung traditioneller iranischer Malerei, iranischer Lyrik und westlicher Kunstgeschichte verleiht Ossouli ihren Werken eine Vielschichtigkeit, die über die Perspektive auf die Gewalt in ihrem Heimatland hinausgeht. „Es geht mir um den Kern des Bösen. Der kann an vielen Orten sichtbar werden“, sagt die Künstlerin. Krieg komme oftmals als schön verpackte Ideologie daher, weiß Ossuli und zitiert den Begriff der „Banalität des Bösen“ der Philosophin Hannah Arendt. In ihren Bildern spiegelt sich das, indem sie Rahmen aus kunstvollen Ornamenten schafft, die auf den ersten Blick den Anschein traditioneller Muster erwecken. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich aber häufig um Waffen.

Die Zeichnung „Der Sündenfall“ etwa wird eingerahmt durch ein Muster aus Pistolen. Das Bild zeigt einen Mann, der offenbar gerade eine Frau über eine Mauer in die Tiefe gestoßen hat. Das Bild bezieht sich auf ein Blatt von Max Ernst, das eine aus dem Fenster fallende Frauenfigur mit einem Vogelkopf zeigt. Ein im Fenster stehender Mann streckt die Arme nach ihr aus, womit das Bild eine gewisse Zweideutigkeit bekommt. Es ist nicht ganz sicher, ob der Mann die Frau gestoßen hat, oder ob er sie festhalten wollte. Bei ihrem Bild sei diese Zweideutigkeit aufgehoben, erklärt Ossouli. In ihrer Zeichnung klafft das Kleid der Frau an der Brust auseinander und an ihren Beinen sind Spuren von Blut zu sehen, was eine vorangegangene Vergewaltigung nahelegt.

Eine besondere Rolle spielen in Ossoulis Bildern die Haare der Frauen. Sie lodern wie Feuer, wehen wie Flaggen im Wind, oder werden von Gewalttätern ergriffen, um daran zu zerren. „Haare sind ein Symbol der Unterdrückung“, erklärt Ossouli. Im Iran dürfen sich Frauen öffentlich nur mit Kopftuch zeigen.

Ossouli gehört zu den bekanntesten Künstlerinnen im Iran, wo sie nur beschränkt ausstellen kann. Ihr Werk ist auch in großen westlichen Museen vertreten. Ihre letzte Einzelausstellung in ihrem Heimatland hatte sie vor zehn Jahren. Dass sie überhaupt dort arbeiten und ihre Kunst verkaufen könne, liege daran, dass das islamistische Regime die Gesellschaftskritik in ihren Bildern oftmals nicht verstehe, sagt sie augenzwinkernd. Kunst bewege sich vielfach sozusagen unterhalb des Radars des Regimes. Zudem erfahre sie als Künstlerin große Unterstützung vonseiten des Publikums. „In der Situation, in der wir leben, ist Kunst eine Notwendigkeit.“

Von Claudia Rometsch (epd)