
Es ist kurz vor halb fünf am Dienstagnachmittag, Zeit für „Let's talk magic“. Nach und nach kommen die Mädchen und Jungen in die Räume des Jugendstil NRW. In dem Kinder- und Jugendliteraturzentrum im Dortmunder Kreuzviertel findet jede Woche ein Fantasy-Leseclub für junge Menschen statt. Aufgeregt reden alle durcheinander, als sie ihre Lieblingsbücher aus den Taschen holen und auf dem großen weißen Tisch in der Mitte des Raumes ausbreiten.
„Oh, du hast den Farbschnitt von 'Keeper of the lost Cities', ich bin so neidisch“, ruft ein Mädchen begeistert. Sie will als Annabeth zitiert werden, nach Annabeth Chase, ihrem Lieblingscharakter aus der Buchreihe Percy Jackson. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich.
Auf dem Tisch liegen mehrere Bände Harry Potter , außerdem Bücher der Reihe Woodwalkers und Alea Aquarius. Annabeth erzählt von Percy Jackson, der elfjährige Clemens von Warrior Cats. Die Begeisterung, mit der sie über die Geschichten und ihre Lieblingscharaktere sprechen, ist ansteckend. Den Buchclub „Let’s talk magic“ gibt es schon seit mehreren Jahren, er wird unterstützt vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen und soll die Lesekenntnisse von Kindern und Jugendlichen fördern.
Wie wichtig das ist, weiß Laura Trost, Sprecherin der Stiftung Lesen in Mainz. „Rund ein Viertel der Viertklässler kann nicht richtig lesen“, zitiert sie die Ergebnisse der aktuellen Iglu-Studie, der internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung. „Dabei ist Lesen so wichtig, weil es ganz viele unterschiedliche Bereiche anspricht“, erläutert Trost. „Man wird kreativer und empathischer, weil man sich mit den Charakteren identifiziert und sich in sie hineinversetzen kann. Außerdem entwickeln und stärken wir durch häufiges Lesen die Lesekompetenz, die man braucht, um Informationen aus Texten zu ziehen.“
Damit Kinder selbst zu Büchern greifen und dabei das Lesen üben, sei es wichtig, den Druck herauszunehmen, sagt die Expertin: „Spaß ist noch nie aus Druck entstanden. Lesen soll den Kindern vor allem Spaß machen und das klappt am besten über die Geschichten.“ Dabei sei es egal, ob die Kinder Bücher, Comics oder Mangas läsen. Es müsse bei den Kindern nur ein Funke überspringen. Dann komme das Lesen von ganz allein.
Beim elfjährigen Lukas ist der Funke schon früh übergesprungen „Als ich sechs war, hat mir mein Vater ein Buch in die Hand gedrückt - Die Schule der magischen Tiere“, erzählt er bei „Let's talk magic“. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich es einfach gelesen habe. Seitdem lese er sehr viel in seiner Freizeit. Den anderen trägt er nun eine Stelle aus einem seiner Lieblingsbücher vor: “Harry Potter und der Stein der Weisen". Er liest flüssig, genauso wie die anderen Kinder, als sie an der Reihe sind. Einige verstellen dabei ihre Stimmen und schlüpfen in die unterschiedlichen Rollen.
Kaum liest eines der Kinder vor, werden die anderen schlagartig ruhig und hören konzentriert zu, selbst wenn zuvor noch ausgelassen gelacht und herumgealbert wurde. Nach dem Vorlesen klatschen alle.
Für Literaturpädagogin Sandra-Maria Erdmann, die den Buchclub leitet, steht Spaß an allererster Stelle: „Letztes Jahr haben wir zum Beispiel zusammen das Buch 'Sepia' gelesen und dazu die Stadt Flohall aus Ton nachgebaut“, erzählt sie. Dieses Jahr haben sich die Kinder entschieden, einen Podcast zu machen. Darin schlüpfen sie in die Rollen ihrer Lieblingscharaktere und reden über Bücher oder erfinden selbst Geschichten.
In einer Folge stellen sie zum Beispiel Theresa Bell, der Autorin von „Sepia“, Fragen zu ihrem Buch. In einer anderen bekommen sie Besuch von Dobby, dem Hauselfen aus Harry Potter, der von Annabeth gesprochen wird. Beim aktuellen Treffen liest jeder einen kleinen Ausschnitt aus seinem Lieblingsbuch vor. „Mir ist wichtig, dass die Kinder die Bücher mit mehreren Sinnen erleben“, sagt Erdmann.
Diesem Konzept folgt auch ein anderes Projekt zur Leseförderung: Der SommerLeseClub, der während der Sommerferien in vielen nordrhein-westfälischen Bibliotheken veranstaltet wird. „Jedes Kind und jeder Jugendliche, der am SommerLeseClub teilnimmt, bekommt ein Logbuch - das gibt es in Papierform oder auch digital“, erklärt Katrin Steuten von der Fachstelle für öffentliche Bibliotheken bei der Bezirksregierung Düsseldorf.
Darin setzen sich die Kinder und Jugendlichen kreativ mit den gelesenen Büchern oder gehörten Hörspielen auseinander. Die Jungen und Mädchen können Rezensionen schreiben, Bilder zu den Geschichten malen oder sich einen alternativen Schluss des Buches ausdenken.
Ähnliche Sommerleseclubs gibt es auch anderswo. „Heiss auf Lesen“ in Baden-Württemberg arbeitet auch mit einem Logbuch, in Bayern bekommen die Kinder ein Sommer Journal, in das sie ihre Gedanken zu den Büchern schreiben können.
Bei „Let’s talk magic“ überlegen sich die Kinder inzwischen gemeinsam mit Sandra-Maria Erdmann, wie ihre Podcast-Folge zum aktuellen Treffen aussehen soll. Auf die Frage, was „Let’s talk magic“ so besonders macht, antwortet Annabeth: „Es ist immer lustig hier. Es gibt keinen Moment, in dem es nicht lustig ist.“