
Mit den Zukunftsperspektiven für Orchester, Chöre und Big Bands in den Rundfunkanstalten soll sich eine neue Arbeitsgruppe der ARD beschäftigen. Es gehe darum, „Möglichkeiten für ein gemeinsames Konzept zu den Klangkörpern zu prüfen“, sagte eine Sprecherin der ARD dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hintergrund ist eine entsprechende Forderung von 14 Bundesländern. Sie wurde dem im März von den Ministerpräsidenten unterschriebenen Reformstaatsvertrag als Protokollerklärung beigefügt. Zur Besetzung der eingerichteten Arbeitsgruppe und deren Leitung machte die Sprecherin keine Angaben.
Auch die ARD-Gremien nehmen aufgrund der Protokollerklärung der Länder die Klangkörper stärker in den Blick, etwa der Rundfunkrat des WDR. Der Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats, Rolf Zurbrüggen, sagte dem epd, im Rahmen der Beratungen zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschäftige sich der Rundfunkrat auch mit den Ensembles des WDR und deren zukünftiger Aufstellung. Die größte ARD-Landesrundfunkanstalt betreibt das WDR Sinfonieorchester, das WDR Funkhausorchester, den WDR Rundfunkchor und die WDR Big Band.
Die Intendantinnen und Intendanten der ARD seien aufgefordert, bis Ende 2026 eine Standortbestimmung der Klangkörper vorzunehmen, sagte Zurbrüggen: Diese Prüfung würden der WDR-Rundfunkrat und seine zuständigen Ausschüsse „beratend begleiten und mitgestalten“. Dabei erwarte das Gremium von der WDR-Geschäftsleitung grundsätzlich, dass kontinuierlich und in allen Bereichen Wirtschaftlichkeitspotenziale identifiziert und gehoben würden. Oberste Prämisse bleibe jedoch, „bei allen Sparbemühungen die Auftragserfüllung des WDR in vollem Umfang“ zu gewährleisten. Für den WDR-Rundfunkrat hätten die vier Klangkörper des Senders „einen sehr hohen kulturellen und gesellschaftlichen Wert“, betonte Zurbrüggen.
Der WDR bezifferte auf Nachfrage des epd die Netto-Gesamtkosten der vier Ensembles im Jahr 2023 auf 34,2 Millionen Euro. Das sei der Betrag, den der WDR für Produktions-, Personal-, Sach- und Gebäudekosten und sonstige Umlagen nach Abzug der Ticketeinnahmen für die Klangkörper aufgewendet habe. Laut WDR geben die Ensembles pro Saison rund 180 Konzerte mit mehr als 100.000 Besuchern; hinzu kämen jährlich rund 250 Projekte zur Musikvermittlung, darunter auch „Konzerte mit der Maus“, um Kinder an die klassische Musik heranzuführen. Die Ensembles seien „ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Auftrags des WDR“.
Von den neun ARD-Landesrundfunkanstalten betreiben sieben zusammen 20 Klangkörper: Zehn Orchester, sechs Chöre und vier Big Bands. Radio Bremen hat keinen Klangkörper. Der RBB ist mit fünf Prozent an der gemeinnützigen Rundfunk Orchester und Chöre gGmbH ( ROC) beteiligt, die zwei Orchester und zwei Chöre unterhält. Hauptgesellschafter der in Berlin ansässigen ROC ist mit 40 Prozent das Deutschlandradio, weitere Gesellschafter sind der Bund (35 Prozent) und das Land Berlin (20 Prozent). Nach Angaben der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) lag der Gesamtaufwand für die ARD-Klangkörper im Jahr 2022 bei 203 Millionen Euro. Jüngere Zahlen liegen nach Angaben der ARD nicht vor.
Beim NDR beliefen sich die „Trägerkosten“ für die vier Klangkörper (Programmbereich Orchester, Chor und Konzerte) 2023 auf 10,6 Millionen Euro und 2024 auf 11,5 Millionen Euro. Das geht aus der internen „Abrechnung des Wirtschaftsplans 2024“ des NDR hervor, die dem epd vorliegt. Bereits verrechnet sind in beiden Beträgen die eigenen Erträge der Ensembles, vor allem Ticketeinnahmen und Erlöse aus Produktionspauschalen für Konzertreisen. 2023 beliefen sich diese Erträge auf 8,9 Millionen Euro, 2024 waren es 10,4 Millionen Euro. Der NDR unterhält vier Klangkörper: in Hamburg das NDR Elbphilharmonie Orchester, das NDR Vokalensemble und die NDR Bigband sowie in Hannover die NDR Radiophilharmonie. Auch die NDR-Ensembles sind in der Musikvermittlung engagiert.
Hamburg und Niedersachsen tragen die Protokollerklärung zum Reformstaatsvertrag über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mit. Der Staatsvertrag soll Anfang Dezember in Kraft treten.