Ein wirksames Netzwerk gegen gefälschte Arzneimittel
Minilab
Ein komplettes Labor in einem Koffer.
Mit internationalen Partnern macht das Tübinger Difäm Detektivarbeit
Tübingen/Nairobi (epd)

Dass genau das drin ist, was auf der Packung steht - darauf ist bei Arzneimitteln leider nicht immer Verlass, vor allem nicht in Ländern mit geringen und mittleren Einkommen. Deshalb haben Difäm Weltweit, eine Abteilung des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) in Tübingen und das Ecumenical Pharmaceutical Network (EPN) mit Sitz in Nairobi, Kenia, gemeinsam das «Minilab-Netzwerk» gegründet. Es verknüpft aktuell 19 Partner in
13 Ländern. Im Jahr 2023 wurden mit einem transportablen Testkoffer 1.760 verdächtige Arzneimittel untersucht, ein neuer Rekord. In den meisten Fällen handelte es sich um Medikamente gegen Infektionskrankheiten.

1.703 der untersuchten Proben waren einwandfrei. Doch bei sieben Proben habe es sich eindeutig und bei acht weiteren Proben möglicherweise um Fälschungen gehandelt, sagt die Apothekerin und Difäm-Mitarbeiterin Gabriela Gohl. 42 weitere Proben erfüllten die geforderten Standards nicht - etwa weil der Wirkstoffgehalt deutlich zu gering war. Bei Medikamenten, die von unlizenzierten privaten Verkäufern stammten, war der Anteil der Beanstandungen deutlich höher als bei Medikamenten aus kirchlichen Einrichtungen. Diese sind beim Einkauf sehr kritisch, aber trotzdem vor Fälschungen nicht sicher.

Stimme der versprochene Wirkstoffgehalt nicht, könne das lebensgefährlich sein, sagt Christine Häfele-Abah, Leiterin der Zentralen Beschaffungsstelle und der Pharmazeutischen Entwicklungszusammenarbeit bei Difäm Weltweit. Dann könne es etwa bei Antibiotika zur Bildung von Resistenzen kommen. Gefälschte Medikamente könnten zu verlängerter Krankheit, zu Nebenwirkungen oder sogar zum Tod führen. Sie könnten zudem das Vertrauen von Patienten ins Gesundheitssystem zerstören.

Das Minilab wurde vom German Pharma Health Fund entwickelt, einer gemeinnützigen Initiative der Firma Merck. Es ist kein Wunderkoffer. Die Verunreinigungen in einem Sirup, an denen in Kamerun mehrere Kinder gestorben sind, hätten sich damit leider nicht feststellen lassen. Aber trotzdem hat sich das Minilab in den vergangenen Jahren als zentraler Baustein einer dreistufigen Teststrategie erwiesen.

Die erste Teststufe ist die genaue Sichtkontrolle einer Packung. Bei einer internationalen Onlinekonferenz präsentierte Lutz Heide, Professor für Pharmazeutische Biologie in Tübingen, eine große Dose, die weiße Tabletten mit sieben verschiedenen Dicken und Gravuren enthielt. «Ich wundere mich sehr, dass die Fälscher denken, dass sie damit durchkommen.» Die Dose war bei einer Untersuchung von insgesamt 260 Medikamenten in Nigeria aufgefallen. Eine andere Verpackung enthielt Rechtschreibfehler im angeblichen Wirkstoff. Einmal war ein angeblicher Hersteller angegeben, der gar nicht existiert.

Ist eine Packung verdächtig, folgt als zweite Teststufe das Minilab. Mit diesem wird der Gehalt an Wirkstoffen untersucht. Wurden sie, sofern überhaupt vorhanden, bereits zum Teil abgebaut? Auch nach manchen Verunreinigungen wird gesucht. Der Test mit dem Minilab ist viel günstiger und geht viel schneller als die Untersuchung im großen Labor.

Diese folgt, abhängig vom Minilab-Befund, erst in der dritten Teststufe. Dabei werden die Befunde regelmäßig bestätigt. «Das Minilab ist zuverlässig», versichert Heide. Es kann vor allem extreme Abweichungen leicht feststellen, bei mäßigen Abweichungen wird es schwieriger. Bei den 260 untersuchten Proben entsprachen nur 75 Prozent der Deklaration. Bei 14 Prozent der Proben gab es mäßige Abweichungen, bei den verbleibenden 11 Prozent war nur sehr wenig oder gar kein Wirkstoff enthalten.

Das Ökumenische Pharmazeutische Netzwerk EPN nutzt die Testbefunde nicht nur dazu, die Einkäufe für die eigenen kirchlichen Gesundheitseinrichtungen zu prüfen. Es gibt kritische Befunde auch an die WHO und an staatliche Stellen weiter. Dadurch kam es bereits zum offiziellen Rückruf von gefälschten Medikamenten durch staatliche Gesundheitsbehörden.

In Ländern mit geringen und mittleren Einkommen ist, so die Schätzung der WHO, jedes zehnte Medikament gefälscht oder erfüllt die geforderten Standards nicht. Die meisten Fälschungen werden bei Antibiotika und Mitteln gegen Malaria entdeckt. Ihnen ist nur durch Tests auf die Spur zu kommen. Der Rat, eben nicht auf irgendwelchen dubiosen Straßenmärkten einzukaufen, würde viel zu kurz greifen. Bei den 260 Proben aus Nigeria waren der Anteil der Beanstandungen bei Medikamenten vom lizenzierten Weiterverkäufer fast genauso groß.

 

Von Peter Dietrich (epd)