Vom Schultereisen bis zur Gliederkelle
In Velten soll ein deutsches Schornsteinfegermuseum entstehen
Velten (epd).

Kachelöfen für Berlin: Große Tonvorkommen haben den Ort Velten in Brandenburg im 19. Jahrhundert zum Zentrum der Ofenproduktion gemacht. Bereits seit 1905 wird dies dort mit einem eigenen Museum gewürdigt. 42 Ofenfabriken und Ziegeleien mit mehr als 2.000 Beschäftigten gab es mal in dem Ort nördlich von Berlin, die Jahresproduktion lag bei 100.000 Kachelöfen. Und weil zu Feuerstätten auch die Reinigung der Rauchabzüge zur Brandverhütung gehört, soll nun ein weiteres Museum dazukommen. Zum 120. Jubiläum des Ofen- und Keramikmuseums wird am Sonntag ein Schornsteinfegermuseum gegründet.

Beim Jubiläumsfest werde ein Schornstein zur Grundsteinlegung aufgemauert, erzählt Museumsleiterin Nicole Seydewitz: „Das wird auch der Auftakt für unsere Spendensammlung.“ Für das Museum, das in der ehemaligen Schlosserei auf dem Gelände einer früheren Ofenfabrik entstehen soll, werde eine sechsstellige Summe benötigt. „Wir hoffen, dass wir das Museum 2027 eröffnen können“, sagt die Kunsthistorikerin: „Aber das ist eine Geldfrage.“

In der Stadt werden Besucherinnen und Besucher zu einem historischen Rundgang eingeladen. „Veltener Keramik ist überall auf der Welt zu Hause“, heißt es dort: „Ob als Kachelofen in Berlin, als Fassadenschmuck in Athen oder als Geschirrserie in den USA.“ 1835 wurde die erste Ofenkachelfabrik im Ort errichtet. Dies sei der Ausgangspunkt für das „Veltener Wirtschaftswunder“ gewesen, wird bei dem Rundgang betont: „Der Ton macht aus einstigen Bauern wohlhabende Fabrikanten und aus ihren Knechten versierte Kachelbäcker.“

Das Ofenmuseum erzählt die Geschichte und zeigt auch die Exponate dazu: Meterhohe Kachelöfen in lindgrün, rot, blau, weiß und schwarz, schlicht oder kunstvoll verziert mit Ornamenten, Figuren, Landschaftsszenen. Unzählige Ofenkacheln sind dort zu sehen, viele Fotos und auch Baukeramik, die unter anderem in Berliner U-Bahnhöfen Verwendung fand. Braunkohlebriketts in einer Kiepe werden präsentiert, der Grundstoff der Wärme der meisten Kachelöfen.

Vor einigen Jahren hat das Ofenmuseum dem Schornsteinfegerhandwerk schon einmal eine Ausstellung gewidmet. Unter dem Titel „Freimauerkehrer. Vom Wandergesellen zum Glücksbringer“ wurde dort die Geschichte von den Anfängen im Spätmittelalter bis in die Gegenwart erzählt. Das Museum wollte damit „die enge Verknüpfung zwischen dem Handwerk der Kachelbäcker, der Ofensetzer und der Schornsteinfeger“ in den Blick rücken.

Viele der Leihgaben von 2016 seien vor Ort geblieben, und es kämen stetig neue dazu, erzählt Nicole Seydewitz. Alles werde derzeit in einem rund 50 Quadratmeter großen Depot gelagert, historische Dokumente, Fotografien, rund 100.000 Souvenirartikel, Arbeitskleidung und Handwerkszeug der Schornsteinfeger, „vom Schultereisen bis zur Gliederkelle“. Schultereisen werden zum Rußabkratzen benutzt und auf der Schulter getragen, wenn sie nicht im Einsatz sind. Gliederkellen mit teleskopartiger Verlängerung dienen der Rußentnahme aus tiefer gelegenen Reinigungsklappen.

Ein Schornsteinfegermuseum gibt es bereits an einem ganz anderen Ort, im Piemont in Norditalien. Das „Museo del Spazzacamino“ in Santa Maria Maggiore im „Cämifegertal“, dem Valle Vigezzo zwischen dem Lago Maggiore und Domodossola, berichtet auch von der einstigen Armut in den Alpentälern, die Familien dazu brachte, ihre Kinder als Schornsteinfeger zu verkaufen. „Sie waren klein und konnten in die Schornsteine hineinkrabbeln“, sagt Nicole Seydewitz: „Die Geschichte dieser Kinderarbeit wollen wir auch erzählen.“

Und die schwere Handarbeit der Schornsteinfeger bei Wind und Wetter soll zum Thema gemacht werden, erzählt die Museumsleiterin. Einer, der sich aus eigener Erfahrung damit auskennt, ist Maximilian Teuber. Der Schornsteinfegermeister aus Hennigsdorf engagiert sich auch für das Museum in Velten. Demnächst will er nach Santa Maria Maggiore fahren, denn dort wird vom 5. bis 8. September zum 42. internationalen Schornsteinfegertreffen eingeladen. Dort will der 27-Jährige das erste Mal mit dabei sein und die Veltener Museumspläne bekanntmachen.

Von Yvonne Jennerjahn (epd)