Gershon Leizerson ist gestrandet. Der israelische Sänger und Komponist hängt in Thüringen fest. Die meisten Flüge in seine israelische Heimat sind weiterhin annulliert. Der Krieg zwischen seinem Land und dem Iran zwingt ihn zum Abwarten.
Damit der Künstler seinen unfreiwillig verlängerten Aufenthalt in Deutschland künstlerisch nutzen kann, hat ihm das Netzwerk „Jüdisches Leben Erfurt“ am Dienstagabend gemeinsam mit anderen Partnern einen Auftritt in der Kleinen Synagoge Erfurt verschafft. Das Konzert sei dabei nicht nur eine künstlerische Darbietung, schrieben die Veranstalter, sondern ein Ausdruck von Solidarität und kultureller Verbundenheit. Die Eintrittsspenden des Abends gingen an Leizerson und seinen ebenfalls an dem Konzert mitwirkenden Musikerkollegen Ira Shiran.
Weltweit sitzen Künstlerinnen und Künstler im Ausland fest oder sind in ihren Heimatländern gefangen. Solange die Waffen feuern, weiß niemand so recht, wie es weitergehen wird. „Bisher verfolgen wir, wie alle anderen auch, die Pressemeldungen zum Thema“, sagt etwa der Kurator des am 12. Juli startenden Yiddish Summer in Weimar, Andreas Schmitges: „Und derzeit sind in unserem Programm keine Änderungen geplant, einfach weil wir nicht wissen, wie die Situation in einigen Wochen sein wird.“
Mehr als 100 Programmbausteine bietet die internationale Sommerschule laut Schmitges in diesem Jahr an. Die Kurse reichten von Workshops über Konzerte und Filmvorführungen bis hin zu Mitmachangeboten, die Gästen einen niederschwelligen Zugang zu jüdischer Kultur ermöglichen sollen. Ab dem 12. August sollen Ergebnisse in einem einwöchigen Festival präsentiert werden. Wie viel davon umgesetzt werden kann, ist laut Schmitges offen. Er sei mit den Teilnehmenden der Projekte und mit den Lehrenden in den Workshops in Kontakt und werde die Planung an die Gegebenheiten anpassen. „Mehr können wir derzeit nicht sagen - und auch nicht tun“, sagt der Kurator.
Hinzu kommen den Angaben zufolge zusätzliche Kosten für die Sicherheit rund um Festival und Sommerschule. Diese Dinge belasten das Budget natürlich zusätzlich, sagte Schmitges. In welchem Umfang werde sich erst nach dem Yiddish Summer Weimar 2025 herausstellen.
Ebenso ist die Leitung des nahezu ausverkauften Rudolstadt-Festivals im engen Kontakt mit ihren Künstlern. Man beobachte die Situation, Absagen gebe es glücklicherweise bislang noch keine, sagte eine Sprecherin von Deutschland größtem Folk- und Weltmusik-Festival dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die viertägige Konzertreihe startet am 3. Juli und bietet eine große Bandbreite an internationalen Musikstilen und kulturellen Darbietungen auf fast 30 Bühnen in der Stadt.
Betroffen ist auch Johannes Gräßer. Er plant als künstlerischer Leiter die Jüdisch-Israelischen Kulturtage Thüringen für die Jüdische Landesgemeinde Thüringen. Das Festival startet erst Anfang März 2026. Und trotzdem bringe der Krieg seine Planungen jetzt schon durcheinander. „Ich wollte am 9. Juli nach Israel fliegen, um interessante Künstler für unser Festival zu treffen und Netzwerkarbeit zu betreiben“, sagt Gräßer. Aktuell sei auch bei ihm völlig offen, ob er fliegen kann.
Wichtiger als seine Reisepläne sei allerdings, dass in dieser Zeit der kulturelle Austausch zwischen israelischer, jüdischer und deutscher Kultur nicht abreißt, sagt Gräßer. Er selbst tritt dieser Gefahr aktiv entgegen. Am ersten Donnerstagabend im Juli steht er mit seiner Geige und zwei Künstlerkollegen auf der Bühne in der Ruine der Erfurter Barfüßerkirche. Im Gepäck hat er „Jiddische Phantasien“ in Form von Klezmermusik und -liedern.