Ausstellung zu Kunsthandwerk und Design in der NS-Zeit
Leipzig (epd).

Alltagsgegenstände spiegeln häufig den Zeitgeist, im konkreten Fall den Zeitgeist des Nationalsozialismus und der Diktatur. Eine neue Ausstellung im Leipziger Grassi Museum für Angewandte Kunst zeigt, wie das NS-Regime bestimmte Formen, Materialien oder Herstellungstechniken bevorzugte. Anhand von Beispielen aus Kunsthandwerk und Design zwischen 1933 und 1945 verdeutlicht die Schau zudem, wie weit die NS-Propaganda ins alltägliche Leben reichte. Unter dem Titel „Formen der Anpassung“ sind von Donnerstag an rund 400 entsprechende Exponate zu sehen.

Im Zentrum der bis 12. April laufenden Ausstellung stehen Objekte des täglichen Gebrauchs wie Möbel, Vasen, Textilarbeiten wie Wandteppiche sowie Geschirr aus Glas, Porzellan, Holz und Metall. Die Gegenstände werden von aufwändigen Gold- und Silberschmiedearbeiten sowie Ehren- und Staatspreisen ergänzt.

Völkische Idealisierung

Laut dem Direktor des Grassi Museums, Olaf Thormann, ist die Instrumentalisierung von Kunst und Design in der NS-Zeit in der europäischen Geschichte beispiellos. Es habe kaum einen Bereich oder Gegenstand gegeben, der nicht von einer „völkischen Idealisierung“ erfasst wurde. Als Vorbild diente laut Thormann unter anderem bäuerlich-ländliche Kunst für die breite Bevölkerung oder aber klassische Strenge für die NS-Eliten. Auch Elemente des Bauhauses wurden als „Deutsche Moderne“ weitergeführt.

Die Ausstellung zeige, wie Ideologie und Alltag über Gegenstände verbunden waren, sagt Thormann. Damals beliebte Materialien wie zum Beispiel einheimische Hölzer bei Möbeln, Bernstein für Schmuckobjekte oder Kunstfasern für Kleidung seien kein Zufall, sondern bewusst gesteuert worden. In der Schau sind davon mehrere Beispiele zu sehen.

Ideengeber und Kurator der Ausstellung ist der Kunsthistoriker Frank Werner. Der Propagandaapparat der Nationalsozialisten sei bis ins Detail gegangen, alles sei vorgegeben worden, bis hin zum Löffel, mit dem gegessen werden sollte oder dem Material, aus dem ein Haus gebaut werden sollte, sagt Werner. Die Kuratorin der Textilabteilung im Grassi Museum, Stefanie Seeberg, verweist zudem auf Wand- und Bildteppiche, die mit entsprechenden Darstellungen die NS-Ideologie in die Wohnzimmer und öffentliche Räume gebracht habe.

Babywiege aus dem Konzentrationslager

Gezeigt werden in der Ausstellung auch Gegenstände, die unter Zwangsarbeit oder in Konzentrationslagern entstanden. Darunter ist eine Babywiege, die Häftlinge für die Familie des Lagerkommandanten des KZ Buchenwald, Karl Otto Koch (1897-1945), fertigen mussten.

Etwa 90 Prozent der Exponate sind aus dem Bestand des Leipziger Grassi Museum, das nach Worten von Thormann für die Nationalsozialisten quasi die „Schaltzentrale des Kunsthandwerks“ gewesen ist. Zweimal im Jahr fanden dort Messen statt, laut Kurator Werner „Gipfeltreffen der Szene“. Das Grassi Museum kaufte dann Objekte an oder bekam welche geschenkt.

„Ungewollte Objekte“

Mit der neuen Ausstellung wolle das Leipziger Museum ein Statement setzen, sagt Direktor Thormann. Angesichts von wachsendem Rechtsextremismus werde eine Vergleichsebene geboten. Das Thema Kunsthandwerk sei im Gegensatz zur Aufarbeitung der bildenden Kunst in der NS-Forschung lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt worden. Dabei illustrierten die Objekte ästhetische Vorgaben des NS-Regimes oder auch Vorlieben der Diktatoren.

Aus der zum Teil in München verwalteten Sammlung des NS-Verbrechers Hermann Göring werden Kunstgegenstände gezeigt, die der Selbstinszenierung dienten und oft aus Enteignungen und Beschlagnahmungen stammten. Kurator Werner nennt sie „ungewollte Objekte“, die in den Depots verwahrt werden.

Museumsdirektor Thormann will die „Dinge aus der NS-Zeit entzaubern und nicht als nostalgische Objekte“ präsentieren, wie er sagt. Die Ausstellung stelle sie in einen Kontext: „Das muss auch wehtun, damit man begreift, wohin das führt.“

Von Katharina Rögner (epd)