Die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, fordert mehr Räume für die junge Generation, wo diese Sorgen, Fragen und Nöte artikulieren kann. Sie habe im Rahmen ihrer diesjährigen Sommertour viele Jugendliche und junge Erwachsene getroffen, die Gelegenheiten, aber auch Gesprächspartner einforderten, um in einen Austausch zu gehen. Die Verantwortungsträger in allen gesellschaftlichen Bereichen müssten diese Möglichkeiten schaffen, sagte Heinrich dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach dem Besuch eines Sommercamps im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald.
Heinrich zufolge ist die junge Generation alles andere als desinteressiert an gesellschaftlichen Fragen. Gerade der Besuch des Sommercamps der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in der Gedenkstätte Buchenwald habe dies einmal mehr bewiesen. Junge Menschen arbeiteten freiwillig für zwei Wochen an diesem Ort, weil sie ihren Teil zur Erinnerungsarbeit betragen wollten.
In dem Sommercamp engagieren sich aktuell 15 junge Menschen in der Pflege der Bahntrasse, die ab 1944 das Konzentrationslager mit der Stadt Weimar verband. Darüber hinaus machen sie die Namen von jugendlichen Häftlingen sichtbar, die per Bahn nach Buchenwald kamen oder von dort aus in ein Vernichtungslager transportiert wurden. Hierfür gravieren sie auf großen Findlingen jeweils einen Namen ein und legen ihn neben der Bahntrasse ab. Anschließend recherchieren die Teilnehmenden mit Mitarbeitern der Gedenkstätte in Archiven zu den Lebensdaten der NS-Opfer.
Das Projekt „Gedenkweg Buchenwald“ erinnert seit 2007 an die rund 2.000 Kinder und Jugendlichen, die in Buchenwald starben oder von dort aus mit Zügen in den Tod geschickt wurden. Über die Ergebnisse der Forschungen und Recherchen wird regelmäßig im Internet informiert.
Ins Gespräch kam Heinrich etwa mit der französischen Studentin Angela. Sie habe sich dem Sommercamp angeschlossen, um am authentischen Ort mehr über die Schoah und ihre Opfer zu lernen. Indem man während des Gravierens und der Recherche Zeit mit der Biografie getöteter Jugendlicher verbringe, entstehe eine Verbindung zu den Personen, sagte die Französin.
Auch die Berliner Studentin der Sozialwissenschaften, Selma, hält es für wichtig, sich mit den Biografien zu beschäftigen. Für die Täter seien ihre Opfer eine namenlose Masse gewesen. Es gehe in dem Projekt darum, das jeweils Individuelle wieder herauszuarbeiten. Der kirchliche Bezug des Anbieters sei ihr dagegen nicht wichtig gewesen. Das Programm habe sie gereizt und dass sie in Buchenwald mit anpacken könne: „Man muss etwas tun“, sagte die 19-Jährige. Das Thema Antisemitismus treibe sie um, besonders seit dem 7. Oktober 2023.
Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. wurde 1958 am Rande der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland von Lothar Kreyssig (1898-1986) initiiert. Die Organisation organisiert Freiwilligendienste und Begegnungsprogramme in Europa, Israel und den USA. Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und ihren Folgen ist für die Organisation seit ihrer Gründung Motiv und Verpflichtung für Handeln in der Gegenwart.