Das Grab von Johann Sebastian Bach (1685-1750) liegt nur wenige Meter vom Altar entfernt - es ist wahrscheinlich der bekannteste Platz der Leipziger Thomaskirche. Berühmt ist außerdem der Thomanerchor mit seiner mehr als 800-jährigen Geschichte. Doch auch die evangelische Thomaskirchgemeinde hat Maßstäbe gesetzt: Für eine Spendenkampagne zugunsten der dringend notwendigen Außen- und Innensanierung des spätgotischen Gotteshauses ging sie in den 1990er Jahren unkonventionelle Wege - und wurde dafür anfangs skeptisch beobachtet.
Doch die Gemeinde und ihr damaliger Pfarrer Christian Wolff ließen sich nicht aufhalten: Sie gründeten für die Finanzierung der Kirchenrenovierung einen Verein und eröffneten mitten im Kirchhof einen Souvenirladen. Vor 25 Jahren, zu Pfingsten 2000, konnte die frisch sanierte Kirche dann nach dreijähriger Sanierungszeit wieder eingeweiht werden, am 11. Juni 2000.
Daran erinnert die Gemeinde am diesjährigen Pfingstsonntag (8. Juni) in einem Gottesdienst und mit einem Gemeindefest sowie Führungen durch das Denkmal. Christian Wolff wird predigen, der Thomanerchor und das Gewandhausorchester bringen Auszüge aus Bachs h-Moll-Messe zur Aufführung.
Wolff, der 1992 an die Thomaskirche gekommen war, erinnert sich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) noch gut an die 1990er Jahre: Konzertgäste hätten sich beschwert, dass während der Aufführung von Bachs „Weihnachtsoratorium“ der Putz von den Wänden auf die Mäntel rieselte. Zwar lag zu dieser Zeit ein Sanierungsplan vor, dieser reichte allerdings zeitlich bis in die 2020er Jahre.
Für den gebürtigen Düsseldorfer Wolff war das nur schwer vorstellbar. Er war überzeugt: Es musste auch schneller gehen. Erklärtes Ziel war die Fertigstellung der Bauarbeiten bis zum 250. Todestag von Bach am 28. Juli 2000.
Für die Komplettsanierung sollten rund zehn Millionen Mark als Eigenanteil der Gemeinde zusammenkommen. Die Gemeinde gründete 1997 zunächst den Verein „Thomaskirche - Bach 2000“ und ließ dann die „Thomaskirche - Bach 2000 Marketing GmbH“ als Betreiber des Thomasshops ins Handelsregister eintragen.
Wolff hat die Bilder vom ersten Verkaufstag im Thomasshop-Pavillon mitten auf dem Kirchhof am 10. Juli 1998 noch vor Augen: Eine Reisegruppe habe den Shop quasi gestürmt und fast das gesamte Sortiment an T-Shirts mit dem markanten Bach-Vereinslogo gekauft. Der Laden, der inzwischen ein neues Domizil direkt neben der Thomaskirche hat, ist heute zu einer festen Größe geworden. Der Gewinn kommt der Kirchgemeinde zugute.
Die Geschäftsführerin der Marketing GmbH der Thomaskirche, Helke Rubitzsch, erzählt von der Begeisterung für das Sanierungsprojekt: Um Spenden zu sammeln, seien sogar eine von Bruce Springsteen signierte Gitarre und Bilder von Udo Lindenberg versteigert worden. Wegen der Zielmarke zu Bachs Todestag habe es einen gewissen „Leidensdruck“ gegeben: „Wir wussten, dass im Jahr 2000 die Musikwelt auf uns schaut“, sagt Rubitzsch.
Die gesamte Thomaskirche wurde innen und außen saniert. Die Farbigkeit im Innenraum haben die Fachleute der ursprünglichen spätgotischen Gestaltung nachempfunden: Aus tristem Grau ist Dunkelrot mit Weiß geworden. Zwischen den gemauerten Verstrebungen leuchten nun helle Flächen, Blumen und Ranken zieren die Schlusssteine. Die Gesamtkosten betrugen zwölf Millionen Euro.
Aktuell gehören dem Förderverein der Thomaskirche gut 350 Mitglieder an. Sie kommen vorwiegend aus Deutschland und Europa, aber auch aus Japan, den USA und Australien. Die wenigsten seien aus religiösen Gründen Mitglied im Verein, sagt Rubitzsch. Vielmehr sei es die Verbindung zur Musik und zu Bach, zur Stadt Leipzig und zum Denkmal Thomaskirche, die zu einer Mitarbeit animierten.
Der Förderverein unterstützt nach wie vor den Erhalt der Thomaskirche als Heimat des Thomanerchores und der Ruhestätte Bachs. Er ermöglicht Konzerte und finanziert einzelne Projekte wie etwa ein Tastmodell der Thomaskirche für Blinde oder die Sanierung der beiden Orgeln.
Wolff war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2014 Pfarrer an der Leipziger Thomaskirche. Auf die große Sanierung blickt er mit Dankbarkeit zurück: „Es gab keinen Schließtag während der Bauzeit und wir haben keine Schulden aufgenommen, zudem sind keine Unfälle passiert.“ Das damalige „große Wagnis“ habe die Gemeinde gestärkt.
Die Kirche, in der Johann Sebastian Bach 27 Jahre lang gewirkt hatte, sei heute ein zentrales Gebäude der Stadt Leipzig. Sie sei ein Ort des Glaubens, des Geistes und der Musik und unverzichtbar für das städtische Leben, sagt Wolff. Vor allem sei sie täglich geöffnet. 2024 kamen rund 132.000 Gäste in die Thomaskirche.
Völlig abgeschlossen sind die Arbeiten an einem jahrhundertealten Gotteshaus wie der Thomaskirche allerdings wohl nie: 25 Jahre nach Abschluss der umfangreichen Sanierung finden aktuell Steinmetzarbeiten im Eingangsbereich des sogenannten Bach-Portals statt. Alle drei großen historischen Eingangstüren sollen vollständig aufgearbeitet werden.