Nach seiner Kritik bezüglich mutmaßlicher Sanktionsmaßnahmen in der Gemeinschaftsunterkunft Haffburg in Wismar sieht sich der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern einem politischem Einschüchterungsversuch ausgesetzt. Dieser gehe von Tino Schomann (CDU), Landrat des Landkreises Nordwestmecklenburg, aus, teilte der Flüchtlingsrat am Montag mit. Der Flüchtlingsrat kritisierte zudem Innenminister Christian Pegel (SPD). Dieser habe die Zustände in der Haffburg verharmlost und dem Flüchtlingsrat Schlagzeilensuche unterstellt. Der Landkreis Nordwestmecklenburg ist Betreiber der Unterkunft.
Der Flüchtlingsrat hatte am 4. Juli auf Berichte von Betroffenen verwiesen, denen zufolge Bewohnerinnen und Bewohner bei vermeintlichen Regelverstößen „tagelang“ in einem sogenannten „Strafbereich“ untergebracht würden. Die Maßnahmen würden „offenbar willkürlich verhängt“, etwa wenn Bewohnerinnen oder Bewohner „ihre Reinigungspflichten nicht oder angeblich nicht ordnungsgemäß“ erfüllten, erklärte der Flüchtlingsrat. Schomann erwiderte während einer Kreistagssitzung am vergangenen Donnerstag, die Aussagen entsprächen nicht der Wahrheit. Der Landrat kündigte die Prüfung rechtlicher Schritte gegen den Flüchtlingsrat wegen der getätigten Äußerungen an.
„Dass nun mit juristischen Konsequenzen gegen uns als zivilgesellschaftliche Organisation gedroht wird, werten wir als Versuch, uns einzuschüchtern“, erklärte Flüchtlingsrats-Vorstandsvorsitzende Ulrike Seemann-Katz. Dass die Kritik berechtigt gewesen sei, zeige sich „allein schon daran, dass der Landkreis das Sanktionssystem nach unserer Veröffentlichung selbst vorläufig ausgesetzt hat - das macht die angekündigte Prüfung rechtlicher Schritte umso fragwürdiger“. Die Umsetzung der Strafmaßnahmen sei zuvor durch Mitarbeitende eines privaten Sicherheitsdienstes erfolgt, informierte der Flüchtlingsrat.
Innenminister Christian Pegel (SPD) ging in einer Sitzung des Schweriner Landtags am 17. Juli ebenfalls auf die Vorwürfe ein. Er verwies auf den Landkreis Nordwestmecklenburg und darauf, dass dieser die Anschuldigungen zurückgewiesen habe. Weiter erklärte Pegel, Interessenvertretungen wollten offenbar „mit einer zugespitzten Nachrichtenlage Aufmerksamkeit für gewisse Organisationen und Themen (...) erzeugen“.
Der Flüchtlingsrat wertete Pegels und Schomanns Äußerungen als „Ausdruck einer besorgniserregenden Entwicklung“. Der Rat erklärte: „Kritische zivilgesellschaftliche Stimmen werden unter Druck gesetzt, diskreditiert und in ihrer Arbeit delegitimiert. Dabei ist eine lebendige und kritische Zivilgesellschaft ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Demokratie - gerade dann, wenn sie unbequem ist.“ Auf Missstände aufmerksam zu machen und die Rechte Schutzsuchender zu verteidigen, gehöre zu den zentralen Aufgaben des Flüchtlingsrats, „und diesen werden wir weiterhin mit Entschlossenheit nachkommen“, hieß es.