
Ein kurzer Klick mit der Maus, dann wird es bunt im Zimmer der Direktorin. Auf einem großen Bildschirm, der den ganzen Raum beherrscht, leuchten rote, grüne, gelbe oder blaue Kästchen auf. „Rot steht für Deutsch und blau für Mathe“, erklärt Schulleiterin Elke Helma Rothämel. Kunst ist grün, Englisch orange und Religion lila. Was Rothämel hier mitten in den Sommerferien zusammenbaut, ist ein riesengroßes Puzzle mit vielen tausend Einzelteilen: Sie entwickelt den Stundenplan für das nächste Schuljahr an ihrer Integrierten Gesamtschule, der Evangelischen IGS Wunstorf bei Hannover. Für 41 Klassen, 110 Lehrkräfte und 976 Kinder und Jugendliche.
Eine komplexe Aufgabe, die bei Rothämel und ihren Kolleginnen und Kollegen an den rund 32.000 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland jedes Jahr aufs Neue die Köpfe rauchen lässt - manchmal bis tief in die Nacht hinein. Denn vom Stundenplan hängt vieles ab, weiß die Direktorin: „Er legt nicht nur den Tagesablauf von tausend Schülerinnen und Schülern und ihren Familien fest, sondern auch den der Lehrkräfte.“ Deshalb muss jedes Rädchen ins andere greifen. „Es ist natürlich viel Fleißarbeit“, erzählt Rothämel. „Dies bietet aber auch die Chance, schulisches Leben und Schulqualität zu gestalten.“
Bei der Stundenplanung folge jede Schule ihrem eigenen pädagogischen Profil, erläutert Werner Weber vom Vorstand des Allgemeinen Schulleitungsverbands Deutschlands. „Zu einem hohen Prozentsatz sind die Abläufe überall gleich, aber die Art, es zu Ende zu bringen, ist individuell.“ Bei alldem stehen den Schulleitungen digitale Helfer zur Seite: Programme wie das viel genutzte „Untis“ aus Österreich, das die Stundentafel mit bunten Kästchen hochrechnet. Die Software rechne allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt, sagt Weber, pensionierter Schulleiter aus dem schwäbischen Heidenheim: „Es bleibt noch viel per Hand zu machen.“
Doch wie lässt sich das Puzzle zusammensetzen, sodass am Ende alles passt? Zum Glück stehen manche Eckpfeiler schon von vornherein fest. So müssen in Niedersachsen in den Jahrgängen 6 und 9 die Fächer Schwimmen und Sport dienstags und donnerstags in der ersten Doppelstunde liegen, damit Schwimmbäder und Turnhallen geblockt werden können. An der Evangelischen IGS Wunstorf hat auch der Musik-Unterricht in den „Bläserklassen“ einen festen Termin, weil die Schule dabei mit der örtlichen Musikschule zusammenarbeitet. „Es muss schon viel vernetztes Denken stattfinden“, sagt Kerstin Rieder, Fachbereichsleiterin für Naturwissenschaft an der Ganztagsschule.
Richtig kompliziert wird es in Mathe, Deutsch, Englisch oder Naturwissenschaften. Denn dabei werden die Jahrgänge 9 und 10 in Kursen auf unterschiedlichen Niveaus unterrichtet, die immer zum selben Zeitpunkt liegen und durchlässig nach Leistung sind. „Verleisten“ nennen das die Fachleute. Sechs Lehrkräfte seien an der IGS durch eine solche Leiste gebunden, sagt Rieder. In Religion ist das schon ab der 5. Klasse so ähnlich und in der zweiten Fremdsprache ab Klasse 6. In anderen Fächern wie Gesellschaftslehre, Kunst, Musik oder Sport kommen die Schüler später wieder im Klassenverband zusammen.
Wenn sie die Reihenfolge der Fächer setzt, achtet Schulleiterin Rothämel besonders darauf, dass sich ein Wechsel von Anspannung und Entspannung ergibt. Auf Fächer, die kognitiv viel fordern, soll möglichst ein kreatives Fach oder eines mit viel Bewegung folgen. Und ein vierstündiges Fach wie Englisch soll nicht an zwei Tagen hintereinander unterrichtet werden, damit der Stoff sich besser einprägt: „Ich versuche es so hinzukriegen, dass diese Fächer über die Woche verteilt sind.“
Manchmal sind beim Planen auch ganz praktische Dinge entscheidend: „Sport in der 10. Klasse ist in der ersten Stunde unmöglich, denn sonst ist die Schminke dahin“, schmunzelt die Direktorin. Und Musik kann nicht auf Schwimmen folgen, weil die Schüler dann ihre Instrumente mit ins Bad nehmen müssten. Natürlich muss zwischendurch immer wieder nachjustiert werden, räumt Rothämel ein. „Es ist wie Jonglieren mit sieben Bällen, die man permanent in der Luft halten muss.“
Bei alldem versucht die Direktorin, auch die Wünsche der Lehrkräfte nach freien Tagen oder Stunden im Auge zu behalten. Denn viele arbeiten in Teilzeit oder müssten Kinder aus der Kita abholen. Doch trotz intensiver Kommunikation gelingt das nicht immer. „Schule ist ein Gesamtkörper, da muss ich die freien Tage so verteilen, dass an jedem Tag die Verpflichtung zum Ganztagsunterricht umgesetzt werden kann.“ Als letzte Option muss manchmal ein Lehrerwechsel vorgenommen werden.
Doch auch die Schüler müssen so manchen Kompromiss hinnehmen. Dann wird Physik eben im Klassenraum unterrichtet, weil gerade kein Fachraum frei ist. Für die Zukunft könne vielleicht Künstliche Intelligenz bei der Planung weiterhelfen, hofft die Schulleiterin. „Was dann aber vermutlich verloren ginge, ist ein Stück Autonomie.“ Denn eines ist der Schulleiterin wichtig: „Am Ende dienen wir unseren Schülerinnen und Schülern. Der Stundenplan ist ein wertvolles Instrument, das umzusetzen.“