Justizminister verweist Angehörige von Flutopfern auf Instanzenweg
Mainz (epd).

Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) sieht derzeit keine Notwendigkeit, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Koblenz bei den Ermittlungen zur Ahrtalkatastrophe durch sein Ministerium überprüfen zu lassen. Den Flutopfern und den Angehörigen der Verstorbenen stehe nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen den früheren Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) der reguläre Instanzenweg der Justiz offen, sagte er am 23. April in einer Sondersitzung des Landtags-Rechtsausschusses in Mainz.

Er könne verstehen, wenn Menschen im Ahrtal es nicht akzeptieren wollten, dass niemand vor Gericht für das Geschehen zur Verantwortung gezogen werde. Dies gelte umso mehr, als die Staatsanwaltschaft ja gravierende Mängel bei der Organisation des Katastrophenschutzes und unzureichende Warnungen an die Bevölkerung bestätigt habe. Deswegen könnten Betroffene Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen bei der Generalstaatsanwaltschaft einlegen und gegebenenfalls ein Klageerzwingungsverfahren anstrengen: „Es ist nicht so, dass mit dieser Entscheidung alles erledigt ist.“

Um die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren, könne er sich als Minister aber nicht in das Verfahren einmischen, erklärte Mertin. Das sei nur in einem Fall denkbar, in dem die Entscheidung der Staatsanwaltschaft „völlig unvertretbar wäre, bar jeglicher Denklogik“. Der für das von Hinterbliebenen bereits beantragte Beschwerdeverfahren zuständige Generalstaatsanwalt Harald Kruse hatte vor seiner Beförderung selbst zeitweise die Ermittlungen zur Ahrtalflut geleitet. „Er hat dieses Verfahren nicht zu Ende geführt, insofern habe ich kein Problem damit, dass er es prüft“, sagte Mertin dazu.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte am 18. April bekanntgegeben, dass sie ihre Ermittlungen gegen Pföhler und den ehrenamtlichen Leiter seines Krisenstabs in der Katastrophennacht eingestellt hat. Das mutmaßlich umfangreichste Strafverfahren der rheinland-pfälzischen Landesgeschichte war wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen geführt worden. Der Leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler hatte die Entscheidung damit begründet, es könne nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt werden, dass konkrete Flutopfer nicht gestorben wären, wenn die Behörden damals korrekt gehandelt hätten.

Kritik an der Staatsanwaltschaft entzündete sich unter anderem am Einfluss eines Sachverständigengutachtens, das die Einzigartigkeit der Katastrophe herausstellte. Der Gutachter hatte zudem angezweifelt, dass eine geordnete Evakuierung des Tals in der verbliebenen Zeit möglich gewesen wäre. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 hatte nach außergewöhnlichem Starkregen eine Flutwelle das Ahrtal weitgehend zerstört, 135 Menschen kamen dabei ums Leben.