Opfer der NS-Justiz trennen sich von sächsischer Stiftung
s:55:"Denkmal für Deserteure und Opfer der NS-Militärjustiz";
Denkmal für Deserteure und Opfer der NS-Militärjustiz
Stiftungsbeirat bedauert den Rückzug
Bremen, Dresden (epd).

Die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz hat ihre Zusammenarbeit mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten eingestellt. Die Vereinigung mit Sitz in Bremen wirft der Stiftung eine „fortgesetzte Geringschätzung der Verfolgungsgeschichte der von ihr vertretenen Opfer“ vor, wie Günter Knebel vom Vereinsvorstand am Dienstag mitteilte. Der Geschäftsführer der sächsischen Stiftung, Markus Pieper, bedauerte auf epd-Nachfrage den Rückzug. Bei der Neuausrichtung der Stiftung seien viele Empfehlungen der Bundesvereinigung aufgenommen worden.

Die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz kritisierte unter anderem, es gebe für die Verweigerer von Hitlers Vernichtungskrieg am zentralen Ort ihrer Verfolgung in Torgau bei Leipzig immer noch keine angemessene Darstellung dieses Verbrechens. Nach Angaben der Bundesvereinigung wurden von der NS-Militärjustiz rund 30.000 Deserteure, Verweigerer und sogenannte Kriegsverräter zum Tode verurteilt und etwa 20.000 hingerichtet. Der Deutsche Bundestag hob 2009 alle Urteile der NS-Militärjustiz gegen die Opfer auf und rehabilitierte sie.

Seit Beginn der 1990er-Jahre habe die Bundesvereinigung mit der sächsischen Stiftung kooperiert, weil sich während des Zweiten Weltkriegs das Zentrum der NS-Militärjustiz in Torgau befunden habe, erläuterte Knebel. Dort hatte ab 1943 das Reichskriegsgericht seinen Sitz. Zudem gab es zwei Militärgefängnisse und zeitweilig auch zwei Feldstraflager. An zwei Orten in Torgau seien Verurteilte erschossen worden.

Knebel zufolge war die Zusammenarbeit mit der sächsischen Stiftung seit ihrem Beginn von Konflikten geprägt. Obwohl die sächsische Landesregierung auf Druck von NS-Opferverbänden ihr Gedenkstättengesetz überarbeitet habe, gebe es über die grundsätzliche Bewertung der NS-Militärjustiz keine Einigung.

Dies wies Pieper als Geschäftsführer der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft mit Sitz in Dresden zurück: Im August werde eine neue Dauerausstellung eröffnet, die ihren Schwerpunkt auf die NS-Militärjustiz, das Reichskriegsgericht und auf die Verfolgungsgeschichte zehntausender Kriegsgegner, Deserteure und Angehörigen des Widerstandes lege. Das bringe die Gedenkstätte auch in ihrem neuen Namen „Erinnerungsort Torgau. Justizunrecht - Diktatur - Widerstand“ zum Ausdruck.

Gerade bei der Neuausrichtung sei es in jüngster Zeit zu einem konstruktiven Dialog zwischen der Stiftung und der Bundesvereinigung gekommen, betonte Pieper: „Differenzen in der Beurteilung der Militärjustiz als Terror- und Verfolgungsinstrument im Nationalsozialismus haben sich in den Gesprächen in keiner Weise gezeigt.“ Umso bedauerlicher sei es, dass die Bundesvereinigung gerade jetzt unmittelbar vor der Eröffnung der neuen Dauerausstellung den Dialog abbreche. „Wir nehmen den Gesprächsfaden jederzeit gerne wieder auf“, fügte Pieper hinzu.

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