Bandelow: Rechtspopulisten instrumentalisieren primitive Fremdenangst
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Angstforscher Borwin Bandelow
Göttingen (epd).

Der Göttinger Psychologe und Angstforscher Borwin Bandelow warnt angesichts der starken Zuwanderung vor zunehmendem Populismus. Viele Rechtspopulisten versuchten derzeit, die angeborene Angst der Menschen vor Fremden für ihre Zwecke auszunutzen, sagte Bandelow im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Dabei ist ihnen das Wohl der Bevölkerung egal. Es geht nur darum, Macht zu erlangen.“ Auch Donald Trump adressiere häufig die Fremdenangst der US-Bürger und verwende stereotype Aussagen, um etwa Mexikaner zu verunglimpfen und damit Wählerstimmen zu gewinnen.

Die Angst vor Fremden stamme noch aus der Zeit, als Menschen in Stämmen von bis zu 25 Personen durch die Wälder gezogen seien, erläuterte Bandelow. Jeder Stamm habe seine Gebiete sowie Nahrung, Frauen und Kinder gegen andere Stämme verteidigen müssen. Es sei überlebenswichtig gewesen, Angst vor Fremden zu haben, sagte der Senior-Professor an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen.

Diese Furcht habe sich bis heute gehalten: „Deshalb sind wir in der Regel erst einmal skeptisch gegenüber Menschen, die anders aussehen, anders sprechen oder eine andere Religion haben.“ Das habe gar nichts damit zu tun, ob die Bürger bereits Erfahrungen mit Zuwanderern gemacht hätten oder nicht.

Die angeborene Fremdenangst sei auch verantwortlich für das Denken in Nationen, das Fan-Wesen im Fußball, für Heimatgefühle oder den Wunsch, für das Vaterland in den Krieg zu ziehen, erläuterte der Neurologe und Psychotherapeut. Er verortet diese Fremdenangst im sogenannten Angstgehirn, dem allerdings das Vernunftgehirn gegenüberstehe: „Das sagt uns: Die Fremden sind freundliche Menschen wie wir, mit ähnlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Es ist in der Lage, die feinen Unterschiede, das Für und Wider abzuwägen. Das kann das Angstgehirn nicht.“

Ob die Vernunft die Angst besiegen kann, hängt laut Bandelow von verschiedenen Faktoren ab. „Dabei spielt etwa der kulturelle Zusammenhalt eine Rolle, der Bildungsgrad, die Zivilcourage oder die Menschlichkeit.“

Der Psychologe unterscheidet die primitive Fremdenangst von der Angst vor realen Gefahren oder Herausforderungen, die verstärkte Zuwanderung mit sich bringe. Diese sollten Politiker ernst nehmen, rät er. Probleme mit starker Zuwanderung sollten differenziert und auf den Fakten basiert betrachtet werden. „Wenn alte Menschen in französischen Dörfern sich fürchten, weil sie auf der Straße kaum noch die französische, sondern überwiegend die arabische Sprache hören, dann kann ich ihre Angst verstehen.“

epd-Gespräch: Martina Schwager