Krankentransporte: Kassen müssen auch ohne Genehmigung zahlen
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Bundessozialgericht in Kassel

Gesetzlich Krankenversicherte müssen für die Kostenerstattung von ärztlich verordneten Krankentransporten nicht immer vorab eine Genehmigung ihrer Krankenkasse einholen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Liegt eine bestimmte „Behandlungsfrequenz“ vor, muss die Kasse auch rückwirkend bezahlen.

Kassel (epd). Gesetzlich Versicherte müssen für eine Kostenerstattung von Krankentransporten nicht zwingend vorab eine Genehmigung ihrer Krankenkasse einholen. Zwar sieht das Gesetz für Krankentransporte zur ambulanten Behandlung grundsätzlich eine vorherige Genehmigung vor, so das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am 21. Mai schriftlich veröffentlichten Urteil. Waren die Transportfahrten medizinisch notwendig und ärztlich verordnet, muss die Krankenkasse die Kosten rückwirkend übernehmen, auch wenn hierfür keine Genehmigung vorlag.

Geklagt hatte eine Witwe aus Nordrhein-Westfalen, die von der DAK Gesundheit die Übernahme der Kosten für Krankenfahrten ihres mittlerweile verstorbenen Ehemanns verlangte. Vor seinem Tod am 24. Juni 2023 hatte der Mann einen Schlaganfall erlitten. Er litt zudem an einer Tumorerkrankung des Lymphsystems sowie an einer chronischen Lungenerkrankung. Er war daher auf eine dauernde Sauerstoffgabe angewiesen und unterzog sich einer Chemotherapie. Für die Wege zur Chemotherapie hatten die behandelnden Ärzte ab 30. Juli 2020 zweimal wöchentlich die Beförderung in einem Krankenwagen verordnet.

Rettungsdienst beantragte Kostenübernahme verspätet

Der beauftragte Rettungsdienst hatte jedoch erst am 23. November 2020 eine Kostenübernahme beantragt. Die Krankenkasse bewilligte die Zahlung, allerdings erst ab dem Tag der Antragstellung. Für die elf Transporte davor erhielt der Versicherte eine Rechnung über insgesamt 4.845 Euro, die er selbst tragen sollte. Die DAK wollte die Kosten nicht erstatten, weil für die Fahrten vorab keine Genehmigung eingeholt worden sei. Der Mann klagte dagegen. Nach dessen Tod machte die hinterbliebene Witwe die Ansprüche weiter geltend.

Das BSG urteilte nun, dass der Witwe dem Grunde nach eine Kostenerstattung durch die Krankenkasse zusteht. Die Transporte in einem Krankenwagen waren ärztlich verordnet und „aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig“. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen müsse aber noch Feststellungen zur Höhe des Anspruchs treffen, so das BSG.

Versicherte sollen nicht ins Kostenrisiko kommen

Laut den Kasseler Richtern dient die im Gesetz vorgesehene Genehmigung der Krankenkassen letztlich dem Zweck, den Versicherten die Sicherheit zu geben, dass sie medizinisch notwendige und ärztlich verordnete Krankenfahrten ohne eigenes Kostenrisiko in Anspruch nehmen können. „Dieser Schutzzweck zugunsten der Versicherten würde aber geradezu ins Gegenteil verkehrt, wenn ihnen die fehlende Genehmigung nachträglich auch dann entgegengehalten werden könnte, wenn ansonsten alle Leistungsvoraussetzungen vorliegen.“ Andernfalls würde das im Sozialgesetzbuch verankerte grundsätzliche Ziel unterlaufen, „dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden“.

Die Krankenkasse hat hierbei auch keine Befugnis, bei den öffentlich-rechtlich geregelten Krankentransporten „ihre Versicherten aus Gründen besserer Geeignetheit oder Wirtschaftlichkeit auf andere Transportunternehmen zu verweisen“, urteilte das BSG.

Medizinische Erforderlichkeit hängt vom Einzelfall ab

Ob eine medizinische Erforderlichkeit vorliegt, hängt jedoch immer vom Einzelfall ab. So müssen Kranke, die alle sechs bis acht Wochen zu einer Nachsorge- oder Kontrolluntersuchung müssen, die Fahrtkosten in der Regel aus eigener Tasche bezahlen. Auch dauerhafte Termine in größeren Abständen seien noch keine „hohe Behandlungsfrequenz“, die zu einer Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen führt, urteilte am 23. August 2024 das Sozialgericht Augsburg.

Anspruch auf Fahrtkostenerstattung könnten zum einen schwerbehinderte Menschen haben, etwa mit einem besonderen Hilfebedarf oder einer Gehbehinderung. Zum anderen auch Kranke, mit einer „hohen Behandlungsfrequenz“, bei der „eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist“. Das sei bei Behandlungen, die alle sechs bis acht Wochen notwendig sind, nicht der Fall.

Mitunter werden Kosten auch nicht erstattet

Doch mitunter bleiben auch Rettungsdienste bei medizinisch erforderlichen Krankentransporten auf den Kosten sitzen. Nach einem Urteil des BSG vom 22. Februar 2024 ist das der Fall, wenn infolge einer Krankenhausfusion stationär aufgenommene Patienten zwischen örtlich voneinander entfernten Kliniken transportiert werden müssen. Denn die Krankenkassen müssen in einem solchen Fall nur jene Kosten erstatten, die bei einer medizinisch erforderlichen Fahrt in ein „anderes“ Krankenhaus angefallen wären.

Nach einer Krankenhausfusion sei aber nur noch von einem Krankenhaus auszugehen. Für die stationäre Behandlung inklusive Verlegung decke die von der Krankenkasse gewährte Fallpauschale alle Kosten ab. Der Rettungsdienst kann allenfalls versuchen, sich die Kosten für die erbrachten Krankentransporte zivilrechtlich vom Krankenhausbetreiber zurückzuholen.

Az.: B 1 KR 7/24 R (Bundessozialgericht, Genehmigung)

Az.: S 3 KR 147/24 (Sozialgericht, Augsburg)

Az.: B 3 KR 15/22 R (Bundessozialgericht, Krankenhausfusion)

Frank Leth