Verbände: Hitzeschutz in Heimen gesetzlich verankern
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Senioren sind bei Hitze besonders gefährdet

Der Klimawandel sorgt immer öfter für Hitzewellen, die vor allem vulnerable Gruppen wie pflegebedürftige Menschen bedrohen. Sozialverbände nehmen die Politik in die Pflicht und fordern gesetzliche Schritte für mehr Schutz in Heimen gegen hohe Temperaturen.

Berlin, Bonn (epd). Mehrere Sozialverbände haben die Bundesregierung zum Hitzeschutztag am 4. Juni zu mehr Unterstützung der Pflegeheime beim Kampf gegen die Folgen des Klimawandels aufgerufen. Der Paritätische Gesamtverband verwies in Berlin auf die Folgen extremer Hitze für vulnerable Gruppen, besonders für Heimbewohner. „Wir alle spüren die Folgen der Klimakrise, aber wir spüren sie nicht alle gleich“, sagte Katja Kipping, Geschäftsführerin des Paritätischen Gesamtverbandes. „Ältere, kranke und arme Menschen stellt die zunehmende Hitze vor weit größere Herausforderungen.“

Die Klimakrise verschärfe bestehende Ungleichheiten, besonders gefährdet seien Menschen, die ohnehin mit gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Belastungen lebten. Das Förderprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ des Bundes geht laut Kipping zwar in die richtige Richtung. Jedoch konnten nach ihren Angaben zuletzt viel zu wenige Einrichtungen davon profitieren. Angesichts der baulichen Maßnahmen, die auf viele Wohlfahrtsanbieter zukämen, müsse bei der finanziellen Förderung massiv aufgestockt werden.

Brysch: Mehr Geld in die Hand nehmen

Zum Schutz der vulnerablen Gruppen müsse endlich Geld in die Hand genommen werden, sagte auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, in Dortmund. Er forderte von der Bundesregierung einen verbindlichen Investitionsplan für die rund 1.600 Krankenhäuser und 12.000 Pflegeeinrichtungen. „Die Bestandsbauten müssen spätestens bis 2027 an die klimatischen Bedingungen angepasst werden. Bei Neubauten gilt es sicherzustellen, dass die Zimmertemperatur die 25-Grad-Marke nicht übersteigt“, sagte Brysch. Das gelinge nur, wenn die Schutzmaßnahmen in jedem Bundesland baurechtlich verankert würden.

Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe warb am Aktionstag für gezielte staatliche Förderung, um Sanierung und wärmedämmende Ausstattung von Pflegeeinrichtungen flächendeckend möglich zu machen. Zudem betonte die Organisation, dass unter der Hitze auch die professionell Pflegenden zu leiden hätten. Deshalb seien „umfassende Schutzkonzepte für alle Arbeitsbereiche notwendig - von der Klinik über die Langzeitpflege bis zur ambulanten Versorgung“.

Kein Geld für Umbauten

Die Berufsgenossenschaft (BGW) und der Deutsche Caritasverband wiesen zum Aktionstag gemeinsam auf die Gefahren für besonders gefährdete Personengruppen hin. Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa sagte: „Schlecht isolierte Altenheime und Jugendwohnanlagen, die sich brütend aufheizen, sind Beispiele für die Folgen der ungenügenden Refinanzierung, die notwendige Klimaanpassungen seit Jahren verhindert.“

Sie nahm die Bundesregierung in die Pflicht: „Wir brauchen eine Investitionsoffensive für die Wohlfahrtspflege, die Arbeitsschutz und Klimaschutz gemeinsam dient.“ Hitzeschutz sei auch Arbeitsschutz, so die Präsidentin.

Jörg Schudmann, Hauptgeschäftsführer der BGW, nahm die Beschäftigten in den Blick: „Hitzeschutz ist immer wichtiger für einen zeitgemäßen Arbeitsschutz. Wer sich im Sozialbereich beruflich oder ehrenamtlich um Menschen kümmert, ist von großer Hitze doppelt betroffen: Durch das eigene Risiko hitzebedingter Gesundheitsprobleme und zugleich dadurch, dass die anvertrauten Menschen bei hohen Temperaturen besondere Aufmerksamkeit brauchen.“ Die BGW unterstütze Betriebe aktiv dabei, dieser besonderen Verantwortung nachzukommen.

Verband kritisiert die Bundesländer

Die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) hatte bereits zu Wochenbeginn kritisiert, in vielen stationären Einrichtungen fehlten bauliche Voraussetzungen wie außenliegender Sonnenschutz, Verschattung, effektive Lüftungskonzepte oder Maßnahmen zur Wärmereduktion. Es gebe keine bundesweit einheitlichen Anforderungen zum Wärmeschutz. „Die Verantwortung für bauliche Vorgaben liegt bei den Ländern - doch diese kommen ihrer Rolle bislang nicht ausreichend nach“, kritisierte die Organisation.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) verwies auf die besondere Gefährdung obdachloser Menschen durch extreme Hitze. „Das Leben auf der Straße ist per se schon physisch und psychisch eine enorme Belastung. Bei extremen Temperaturen droht Lebensgefahr - und das gilt nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer“, warnte Geschäftsführerin Sabine Bösing. „Fehlender Zugang zu ausreichender Wasserversorgung, ungeeignete Kleidung, unversorgte Wunden, um nur einige Risiken zu nennen, verschärfen die Situation der Menschen bei extremer Hitze.“

In vielen Kommunen fehlen noch Hitzeschutzpläne

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) richtete das Anliegen an die Politik, bis zum Jahresende in allen Kommunen Hitzeaktionspläne erstellen zu lassen und damit den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz von 2020 umzusetzen. Zudem müssten Hitzeschutzpläne für alle Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste eingeführt werden. Empfehlungen dazu hat den Angaben nach der Qualitätsausschuss Pflege, das zentrale Gremium der pflegerischen Selbstverwaltung, bereits 2024 veröffentlicht.

Joachim Türk, Vizepräsident des Kinderschutzbundes, sagte, Kinder gehörten „zu den verletzlichsten Gruppen in der Klimakrise. Sie tragen die schwerwiegendsten Konsequenzen, obwohl sie am wenigsten zur Entstehung beigetragen haben.“ Besonders betroffen seien Kinder in Armutslagen, deren Wohnumfeld häufig schlechtere Bedingungen aufweise und die weniger Ressourcen zur Verfügung hätten, um sich zu schützen. Er warb für flächendeckenden Hitzeschutz in Kitas, Schulen und medizinischen Einrichtungen sowie für eine deutlich bessere medizinische und psychologische Versorgung für Kinder, die unter klimabedingten Belastungen leiden.

Dirk Baas