
Die hohe Inflation hat nach Berechnungen des Paritätischen Gesamtverbands dafür gesorgt, dass arme Menschen in Deutschland noch ärmer geworden sind. Das mittlere Einkommen von Menschen unterhalb der Armutsgrenze habe im Jahr 2020 bei 981 Euro im Monat gelegen, 2024 seien es preisbereinigt nur noch 921 Euro gewesen, heißt es im neuen Armutsbericht des Verbands, der am 29. April in Berlin veröffentlicht wurde.
Für die Berechnung wurden die Einkommen mit der Preisentwicklung seit 2020 abgeglichen, um abzubilden, „dass man sich in 2024 für einen Euro weniger kaufen kann als noch in 2020“, wie es im Bericht heißt. Demnach war der Effekt im Jahr 2023 besonders stark ausgeprägt: Damals habe das preisbereinigte mittlere Einkommen armer Menschen bei nur 883 Euro monatlich gelegen. Das bedeutete einen Rückgang um rund zehn Prozent binnen drei Jahren. Nominal lag das mittlere Einkommen armer Menschen 2023 bei 1.031 Euro und 2024 bei 1.099 Euro.
Armutsquote stieg um 1,1 Prozentpunkte
Insgesamt müssen dem neuen Armutsbericht zufolge 15,5 Prozent der Bevölkerung zu den Armen gezählt werden. Die Armutsquote stieg um 1,1 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr an. Von Armut betroffen sind dabei insbesondere Alleinerziehende, junge Erwachsene und Rentner, wobei die Altersarmut stark weiblich geprägt ist.
„Die Zahlen belegen, was viele Menschen mit geringem Einkommen schon lange im Alltag spüren: Die Armen werden ärmer“, sagte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre verschärfen die ohnehin schon schwierige finanzielle Lage von Millionen Betroffenen.“ Die neue Bundesregierung müsse die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung jetzt ganz oben auf die Agenda setzen. Laut Rock besteht neben besseren Erwerbseinkommen insbesondere Handlungsbedarf beim gezielten Kampf gegen Wohn- und Familienarmut, bei der Stärkung der Rentenversicherung und beim Ausbau der Grundsicherung.
VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte, die Zahlen des Paritätischen belegten, „dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland weiter auseinanderklafft. Gerade von Armut betroffene Menschen leiden am stärksten unter den Folgen der letzten Krisen.“ Auf der anderen Seite sei die Zahl der Milliardäre in Deutschland, die in den vergangenen Jahren trotz der Krisen gute Gewinne erzielen konnten, weiter gestiegen. „Hier muss die neue Regierung endlich mit einer gerechteren Besteuerung von sehr großen Vermögen und hohen Erbschaften gegensteuern“, so die Präsidentin.
13 Millionen Menschen von Einkommensarmut betroffen
Der Anteil der Armutsbetroffenen an der Gesamtbevölkerung nahm den Daten zufolge zuletzt zu: Während es ab 2020 zunächst einen Rückgang gegeben habe, sei die Quote im vergangenen Jahr gestiegen auf 15,5 Prozent. Damit seien rund 13 Millionen Menschen von Einkommensarmut betroffen. Frauen sind den Angaben zufolge rechnerisch häufiger arm als Männer, auch junge Erwachsene und Menschen über 65 sind stärker betroffen als der Durchschnitt. 5,2 Millionen Personen müssen derzeit in erheblicher materieller Entbehrung leben. Darunter befinden sich etwa 1,1 Million minderjährige Kinder und Jugendliche sowie 1,2 Millionen Vollzeiterwerbstätige.
Der Bericht zeigt im Vergleich der Bundesländer große regionale Unterschiede: Während in Bayern nur etwa jede achte Person von Armut betroffen ist (11,8 Prozent), ist es in Sachsen-Anhalt mehr als jede fünfte (22,3 Prozent) und in Bremen sogar jede vierte Person (25,9 Prozent).
Als arm werden Menschen eingestuft, die in einem Haushalt leben, der weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens aller Haushalte in Deutschland zur Verfügung hat. Im Jahr 2024 lag die Grenze bei 1.381 Euro im Monat für einen alleinlebenden Menschen. Zum Einkommen gehören dabei unter anderem Löhne, Wohngeld, Kindergeld und andere Sozialleistungen. Die vom Paritätischen ausgewerteten Grunddaten stammen vom Statistischen Bundesamt.
Schutzwirkung des Staates nimmt ab
Die Schutzwirkung des Sozialstaates vor Armut schrumpft nach Angaben des Verbands: 2021 konnte die Armutsquote durch die staatliche Umverteilung noch um 27,7 Prozentpunkte reduziert werden, 2024 dagegen nur noch um 25,1 Prozentpunkte. Daraus folgt, dass die Sozialleistungen deutlich erhöht werden müssen.
Der Paritätische Armutsbericht 2025 „Verschärfung der Armut“ ist der erste Teil einer neuen Reihe von Armutsberichten mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Der Bericht stützt sich dabei insbesondere auf die Mikrozensus-Unterstichprobe zu Einkommen und Lebensbedingungen vom Statistischen Bundesamt MZ-SILC. Der nächste Teil der Paritätischen Armutsberichterstattung widmet sich dem Thema Kinderarmut.