Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt: „Bochumer Impuls“

Von Prof. Dr. Traugott Jähnichen, Ruhr-Universität Bochum / Prof. Dr. Johannes Rehm,
KDA Bayern / Sigrid Reihs, ehemalige KDA-Bundesvorsitzende

»Arbeit ist mehr als Broterwerb: Arbeit gibt Selbstvertrauen und Selbstwert, Struktur und Sozialkontakte. Arbeit ist die Grundlage dafür, bei Krankheit und im Alter abgesichert zu sein. Wir sind eine Arbeitsgesellschaft. Dennoch ist beileibe nicht selbstverständlich, dass Wert und Würde der Arbeit gewahrt bleiben und der Wandel der Arbeit bewältigt wird«, so formuliert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Geleitwort der Festschrift für Günter Brakelmann zum 90. Geburtstag. Dies ist auch eine zentrale Herausforderung kirchlicher Arbeit. Mit diesem Auftrag ist der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) angetreten und weiterhin unverzichtbar.

Vorbemerkung

Die folgenden Überlegungen sind aus einer Initiative von Johannes Rehm, Sigrid Reihs und Traugott Jähnichen als Mit-Herausgebende der Festschrift für Günter Brakelmann zum 90. Geburtstag entstanden. Sie wurden im Rahmen eines Workshops im Anschluss an den Geburtstagsempfang in einer größeren Gruppe von knapp 20 Interessierten diskutiert und sind im Nachgang zum Workshop in weiteren Diskussionen von Teilnehmenden des Workshops präzisiert worden und auch für weitere Impulse offen. Das Ziel dieser Ausarbeitung besteht vorrangig darin, erneut eine Diskussion über die Grundlagen, Ziele und Arbeitsweise des KDA anzustoßen und zur Profilierung der Arbeit beizutragen. Dies geschieht insbesondere deshalb, um die Kenntnis über diesen kirchlichen Arbeitszweig in Kirche und Öffentlichkeit zu intensivieren und seine grundlegende Bedeutung zu zeigen. In diesem Sinne steht die gesellschaftliche Verantwortung, speziell die Themen der Arbeitswelt, die sich in eigenen Arbeitsformen, Methoden und Sprache zeigt, im Mittelpunkt. Darin zeigt sich die Besonderheit dieser Arbeit und ihre eigenen Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten mit anderen kirchlichen Diensten und gesellschaftlichen Akteuren.

I. Zur theologischen und ekklesiologischen Relevanz des KDA

1. Seit seiner Gründung auf der EKD-Synode in Espelkamp 1955 gilt der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) als konstitutiver Bereich der Kirche. Damit trägt die Kirche der Tatsache Rechnung, dass die moderne Arbeitswelt ein entscheidender Bereich menschlichen Lebens ist, in dem gesellschaftliche Integration geleistet wird, und der theologischethischen Orientierung in individueller und gesellschaftlicher Hinsicht bedarf. Insofern wendet sich der KDA an alle Menschen in der Arbeitswelt: Arbeiternehmer*innen sowohl in Industriebetrieben wie in Handwerksbetrieben oder Start-ups, in Bereichen der personen- und haushaltsnahen Dienstleistungen wie Pflegeeinrichtungen oder Handel und Gastgewerbe, an Angestellte, an Menschen in Führungsetagen von Unternehmen, an Selbstständige, Handwerker*innen und Unternehmer* innen sowie an Arbeitslose. Der KDA steht für die grundlegende theologische Einsicht: ARBEITSWELT IST LEBENSWELT! Im Handlungsfeld des KDA geht es also wesentlich um kirchliche Mitverantwortung für ein gerechtes gesellschaftliches Zusammenleben im Sinne einer qualifizierten Nächstenliebe.

2. PRIORITÄT FÜR DIE ARBEIT! Nach biblischer Überlieferung gehört ›Arbeit‹ zum Menschsein des Menschen. In diesem Sinn hat der KDA von Beginn an den Auftrag, die Arbeitswelt menschengerecht zu gestalten. Dabei geht es sowohl um ›Arbeit‹ als ›Tätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts‹ wie Arthur Rich formuliert hat, wie auch um ›Arbeit‹ als jedwede Form der sinnstiftenden Tätigkeit wie sie sich z.B. auch in der Familienarbeit oder im ehrenamtlichen Engagement zeigen. Auch diese Formen der Tätigkeiten sind im Blick des KDA.

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Aus epd Dokumentation 9/22 vom 1. März 2022: Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt: »Bochumer Impuls« (Prof. Dr. Traugott Jähnichen, Prof. Dr. Johannes Rehm, Sigrid Reihs) – Festakt zum 90. Geburtstag von Prof. em. Dr. Günter Brakelmann (3. September 2021, Christuskirche Bochum)
24 Seiten / 3,60 €