Ex-Ampel-Sprecherin: Zu wenig Fehlertoleranz gegenüber Politikern
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Christiane Hoffmann
Berlin (epd).

Die ehemalige stellvertretende Regierungssprecherin der Ampel-Regierung, Christiane Hoffmann, kritisiert den medialen Umgang mit Politikerinnen und Politikern. „Die Fehlertoleranz ist extrem gering, bis hin zu einer Art von Charakter-Hinrichtungen, die aufgrund von kleinen Fehlern stattfinden“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Als Beispiel nannte sie die Berichterstattung über den damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), der 2021 wegen seines Lachens im Flutgebiet des Ahrtals stark kritisiert wurde.

Es seien unrealistische Erwartungen an Politikerinnen und Politiker, die zwölf Stunden am Tag in der Öffentlichkeit stehen, dass diese „nie einen verrutschten oder falschen Satz“ sagen dürfen, sagte Hoffmann. „Man muss doch unterscheiden: Was ist ein Fehler, der passieren kann, und was ist ein grundsätzliches Problem?“, unterstrich Hoffmann. Es brauche mehr Augenmaß.

Einfluss sozialer Netzwerke

Die Ursache sieht die von Dezember 2021 bis Mai 2025 amtierende Sprecherin auch bei der Aufmerksamkeitsökonomie und den sozialen Medien. Wenn einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, gehe es nicht mehr darum zu verstehen, was die Person eigentlich sagen wolle. „Wenn es nur noch darum geht, einzelne Schnipsel zu produzieren, die irgendwie klicken, weil sich dort jemand blamiert, dann hat das nichts mehr mit politischem Journalismus zu tun.“

Die ehemalige Vize-Regierungssprecherin kritisierte auch, dass öffentliche Auseinandersetzungen in den Medien häufig als Streit dargestellt werden. „Die Debatte über unterschiedliche Positionen gehört zur Demokratie“, sagte Hoffmann. Und wenn dann ein Kompromiss erzielt werde, würden Verlierer ausgemacht und Zugeständnisse als Niederlagen geframet. „Das bedeutet, dass man als Politiker gar nicht genügen kann und in jedem Fall negative Berichterstattung produziert - ob man sich einigt oder nicht“, gab die ehemalige Journalistin zu bedenken.

„Verschleiß an demokratischen Politikerinnen und Politikern“

Diese Darstellungen seien für die Demokratie nicht zuträglich. „Wir haben im Moment einen hohen Verschleiß an demokratischen Politikerinnen und Politikern, die spätestens in ihren Vierzigern die Politik aus Frust oder aus Erschöpfung verlassen“, sagte Hoffmann. Diese hätten gar keine Zeit, im Amt zu reifen. „Das können wir uns eigentlich nicht leisten.“

Der neuen Regierung rät Hoffmann zu einer offeneren Kommunikation. „Dieses hermetische Sprechen hat große Nachteile, es ist nicht gut für die Demokratie“, sagte sie. Zwar passierten so weniger Fehler, aber die Frustration in der Öffentlichkeit wachse. „Demokratie lebt von Kommunikation“, betonte Hoffmann.

Die Regierungspressekonferenzen, die in der Regel dreimal in der Woche stattfinden, seien eine riesige Chance, das Regierungshandeln zu erklären. Das sei den Sprecherinnen und Sprechern der Ampel-Regierung häufig gut gelungen und tue es auch jetzt noch, sagte die ehemalige Sprecherin. In einigen Ministerien seien jedoch die Sicherheitsbedenken vorherrschend. Aus deren Sicht sei eine Pressekonferenz dann gut gelaufen, wenn niemand darüber berichtet. „Das ist die völlig falsche Herangehensweise“, sagte Hoffmann.

epd-Gespräch: Lena Köpsell