
Ein kompakter sandfarbener Turm, dem noch die Spitze fehlt: Vor einem Jahr wurde in Potsdam nach fast sieben Jahren Bauzeit der neue Garnisonkirchturm eröffnet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr des Vorhabens, war dabei und viele andere Gäste. Seitdem wird das bislang rund 60 Meter hohe Bauwerk für Demokratiebildung und andere Veranstaltungen, für Kultur und Gottesdienste genutzt und bietet Interessierten auch eine Ausstellung zur Geschichte und eine Aussichtsplattform.
Am historischen Ort der 1945 ausgebrannten und in der DDR beseitigten evangelischen Kirche, die als Symbolort demokratiefeindlicher Kräfte gilt, wird für die Zukunft gearbeitet. In der Trägerstiftung wird das erste Jahr als Erfolg gewertet. Er sei mehr als zufrieden, sagt der kaufmännische Vorstand der Stiftung, Peter Leinemann: „Inhaltlich gibt es ein absolut positives Echo.“
Der Holocaust-Überlebende George Shefi aus Israel war zu Zeitzeugengesprächen mit Jugendlichen zu Gast und hat sich dort mit fast 200 Schülerinnen und Schülern getroffen. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer und der frühere Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), haben über Krieg und Frieden diskutiert. Zwei Altbundespräsidenten wurden im Turm empfangen.
„Bei Besucherzahlen noch steigerungsfähig“
Jeden Monat kämen etwa 450 bis 650 Menschen zu den Veranstaltungen, sagt Leinemann, der zunächst ehrenamtlich für die Stiftung gearbeitet hat und seit 2013 als hauptamtlicher Vorstand im Einsatz ist. Doch diese Gäste tragen nichts zur Finanzierung bei. Um den Betrieb zu stemmen und die fünf Millionen Euro kirchlichen Kredite für das rund 44 Millionen Euro teure und zu einem großen Teil mit Bundesmitteln finanzierte Bauwerk zurückzahlen zu können, werden Eintrittgelder benötigt, die diejenigen zahlen, die auch die Aussichtsplattform besuchen. Und da hapert es noch.
Nicht weit entfernt gehen an diesem Tag Besucherinnen und Besucher im Barberini-Museum ein und aus. Die 18-jährige Rem aus Berlin hat sich die Pissarro-Ausstellung angesehen. Den Garnisonkirchturm kenne sie nicht, sagt sie. Und hingehen werde sie „eher nicht“. Auch ein Ehepaar aus Winsen an der Luhe, als Potsdam-Touristen unterwegs, kennt den Turm nicht und hat auch kein großes Interesse daran. Ein anderes Paar aus Frankfurt am Main weiß mit dem Garnisonkirchturm ebenfalls nichts anzufangen und will ihn sich auch nicht ansehen. Ein Mann aus Wandlitz zeigt sich ratlos. „Jetzt werde ich das mal googeln“, sagt er noch und geht weiter.
„Bei den Besucherzahlen sind wir noch steigerungsfähig“, sagt Leinemann vorsichtig. Genaue Zahlen will er nicht nennen. Erst soll ein volles Jahr Turmbetrieb herum sein, von Januar bis Dezember, dann soll Bilanz gezogen werden. Bei Umfragen habe sich herausgestellt, dass viele Menschen, die Potsdam besuchen, trotz der medialen Aufmerksamkeit für den Wiederaufbau gar nicht wissen, dass es den Turm gibt, betont Leinemann: „Deshalb haben wir jetzt nochmal die Marketingmaschine angeworfen.“
„Schönstes Potsdam-Panorama“
An der Balustrade der Aussichtsplattform hängt jetzt ein großes Banner, auf dem „Panorama“ steht. Plakate mit der Aufschrift „Schönstes Potsdam-Panorama“ sollen zusätzlich Interesse wecken. Auch das noch ausstehende Baugeschehen könnte für Aufmerksamkeit sorgen. Bis zum Frühjahr 2027 soll die rund 30 Meter hohe Turmhaube neben dem Garnisonkirchturm gebaut und dann mit einem großen Kran aufgesetzt werden.
Doch bei den Arbeiten gibt es Verzögerungen. Die Ausschreibung musste wiederholt werden, ein unterlegener Bewerber hatte sich beschwert. Dann mussten Planungsdetails überarbeitet und einige Stellen neu vermessen werden. „Da geht es um Millimeter“, sagt Leinemann. Nun seien noch ein paar neue statische Berechnungen nötig. Wann neben dem Turm mit den Arbeiten an der Haube begonnen wird, sei deshalb noch offen.
Ob auch die Fläche am historischen Standort des Kirchenschiffs irgendwann wieder bebaut wird, steht komplett in den Sternen. Mehrheitsfähige Vorschläge dafür gibt es derzeit nicht. Und Geld ist auch keins da.