Wasserhyazinthen in Kenia: Von der Plage zum Plastikersatz
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Wasserhyazinthe
Nairobi (epd).

Als Joseph Nguthiru zum ersten Mal Wasserhyazinthen sah, dachte er nicht im Traum daran, dass die Pflanzen einmal sein Lebensinhalt sein würden. Er war bei einer Exkursion seines Ingenieursstudiengangs am Naivasha-See nordwestlich der kenianischen Hauptstadt Nairobi, als das Boot im Dickicht der Gewächse stecken blieb. Er lernte: Wasserhyazinthen sind eine Plage, sie nehmen dem See und den Fischen den Sauerstoff. Doch er fragte sich: „Wofür könnte man sie nutzen?“

Wasserhyazinthen werden als „schöne Monster“ bezeichnet. Denn selbst wenn man die knolligen Gewächse mit ihren Stängeln voller weiß-lilafarbenen Blüten aus den Gewässern entfernt, wachsen sie in gut einer Woche nach, schon kleine Reste des Wurzelsystems reichen, um neue Triebe auszubilden. Innerhalb weniger Monate können die Ausläufer einer einzigen Pflanze mehrere Hundert Quadratkilometer bedecken.

„Perfekt nachwachsender Rohstoff“

Nguthiru erkannte, „einen perfekten nachwachsenden Rohstoff“. In seinem Abschlussprojekt forschte er, wie aus den Wasserhyazinthen umweltfreundliche Verpackung hergestellt werden kann. Drei Jahre später arbeitet er mit seiner Firma HyaPak an der industriellen Umsetzung seines Konzepts. Dafür wurde der 27-Jährige in diesem Jahr mit einem Preis vom UN-Umweltprogramm ausgezeichnet.

An drei Tagen in der Woche trifft man Joseph Nguthiru auf dem Gelände des Kenya Industrial Research and Development Institute, einem staatlichen Entwicklungslabor. Start-Ups können sich dort einmieten und die Maschinen nutzen. Nguthiru trägt eine Ladung getrockneter Wasserhyazinthen in die Halle, die er von Fischern in Naivasha erhält. Sie ernten und trocknen die Pflanzen, bevor sie säckeweise nach Nairobi transportiert werden.

Etwa 100 Kilogramm verarbeitet Nguthiru jede Woche - erst zu einem feinen Pulver, das er unter Beigabe von Wasser, natürlichen Bindemitteln und pflanzlichen Zusatzstoffen für Konsistenz und Farbe in mehreren Schritten zu einer dickflüssigen, bräunlichen Pampe verarbeitet. Die wird auf Plastiktabletts gegossen, die das passende Format haben, um aus dem folienartigen Endprodukt kleine Tüten zu falten.

15 Millionen Bäume in sieben Jahren

Bisher stellt er die Säckchen vor allem für Baumsetzlinge her, die ansonsten in kleinen Plastiktüten verkauft werden. Die Tüten von HyaPak hingegen zersetzen sich - je nach Zusatzstoffen nach frühestens zwei Wochen und spätestens acht Monaten.

In den nächsten sieben Jahren sollen in Kenia 15 Milliarden Bäume gepflanzt werden, der Markt für Nguthirus Tüten ist groß. Und er will die Nutzung der Wasserhyazinthen auf weitere Produkte ausweiten. Entwicklungsgelder für Forschung und Industrialisierung sind schwer zu bekommen. Ansätze gibt es seit vielen Jahren, doch sich gegen den etablierten, von Plastik dominierten Markt durchzusetzen, ist schwer.

Weltweit forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Nutzung von Naturfasern für biologisch abbaubare Plastikersatzstoffe: Textilien aus Hanf, Haarprodukte aus Bananenstauden, Taschen aus Ananasresten. „Wir alle kämpfen gegen die Plastikverschmutzung”, sagt Nguthiru. Mit kleinen Schritten. “Wir müssen daran arbeiten, dass wir günstiger, besser und nachhaltiger sind als Plastik."

Hoffnung auf eine „strahlende Zukunft“

"Bisher ist alles ein bisschen improvisiert”, sagt der Unternehmer. Im nächsten Jahr will er eigene Maschinen anschaffen, Gelder dafür konnte er bei einer Reise zu den Vereinten Nationen in New York einwerben. Gleichzeitig will er aber auch versuchen, die Strukturen so einfach wie möglich zu halten, damit sie an vielen Orten auf der Welt reproduziert werden können.

Denn die Wasserhyazinthen sind auch an anderen Orten eine Plage. So versperren sie seit dem 19. Jahrhundert immer wieder Wasserwege im Süden der USA, und auch in Indien und Australien sind sie ein Problem.

Joseph Nguthiru arbeitet inzwischen an Partnerschaften mit Universitäten, lernt Marketing und Verwaltung und erzählt öffentlich von seiner Arbeit. So wie beim „One Young World”-Gipfel in München oder bei der Preisverleihung bei den Vereinen Nationen in New York. “Lösungen für Umweltprobleme finden, die gleichzeitig Gemeinschaften wirtschaftlich voranbringen - das gibt mir Hoffnung, dass Afrika eine strahlende Zukunft bevorsteht", sagt Nguthiru.

Von Birte Mensing (epd)