Experte: Lateinamerika ist gefährlichste Region für Umweltschützer
Mexiko-Stadt, London (epd).

Nirgendwo sonst sind Umweltschützer laut dem Menschenrechtsexperten Ben Leather so bedroht wie in Lateinamerika. „Die Region ist bei weitem die gefährlichste weltweit“, sagte der Direktor des Londoner Büros der Friedens- und Menschenrechtsorganisation „Peace Brigades International“ (PBI) dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Organisation setzt sich für Menschenrechtsverteidiger und Umweltschützer ein. Unter anderem begleiten PBI-Freiwillige bedrohte Aktivistinnen und Aktivisten in Ländern wie Kolumbien oder Mexiko auf Reisen oder beobachten Demonstrationen. „Wir erhalten immer häufiger Anfragen zur Schutzbegleitung von Aktivisten, welche die Umwelt und indigene Territorien verteidigen“, sagte Leather. Erst Anfang Mai haben internationale Beobachter von PBI in Mexiko Schüsse auf friedliche Demonstrierende dokumentiert, die sich gegen eine Müllhalde wehrten.

Indigene ohne Vetorecht

Mit der Energiewende hin zu erneuerbaren Energien könnte die Bedrohung für Umweltschützer Leather zufolge sogar noch zunehmen, wenn aus der Vergangenheit keine Lehren gezogen werden. Bei vielen Großprojekten der Energiewende wie den Windparks im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca werde die indigene Bevölkerung nicht befragt und habe kein Vetorecht, sagte der PBI-Direktor. Die Unternehmen würden ihre Praktiken erst ändern, sobald sie durch lokale und international gültige Gesetze verpflichtet seien, die Menschenrechte und die Umwelt zu respektieren.

Leather kritisierte die schleppende Umsetzung des regionalen Escazú-Umweltabkommens, mit dem sich die Staaten auch zum Schutz von Aktivisten verpflichten. Obwohl Mexiko das Abkommen 2020 ratifizierte, würden immer noch viele Umweltschützer ermordet. Auch die Regierung von Nicaragua habe seit der Unterzeichnung im Jahr 2019 eine große Zahl von Umweltaktivisten ins Exil gedrängt. Willkürliche Verhaftungen, teure Strafprozesse und drakonische Urteile hätten ebenfalls enorme Auswirkungen, sagte Leather. „Immer mehr Anführer und ihre Organisationen müssen sich selbst verteidigen, anstatt den Planeten zu schützen.“

Besonderes Risiko für Frauen

Der Menschenrechtsexperte verwies auch auf die zusätzlichen Risiken, denen Aktivistinnen ausgesetzt sind. Sinnbildlich dafür stehe der Mord an der honduranischen Umweltschützerin Berta Cáceres im Jahr 2016. „Die Wut, der Hass auf Berta war größer, weil sie eine Frau war, die sich nicht unterkriegen ließ“, sagte Leather. Die Indigene Cáceres wurde ermordet, weil sie sich gegen ein Wasserkraftwerk im Territorium der Lenka-Indigenen gewehrt hatte. In diesem Fall konnte die Straflosigkeit durchbrochen werden. Mehrere Täter wurden verurteilt, ihre langjährigen Gefängnisstrafen könnten bald letztinstanzlich bestätigt werden.

epd-Gespräch: Philipp Gerber