
Argentiniens Präsident Javier Milei hat turbulente Wochen hinter sich. Am 9. Juli verzichtete der ultrarechte und libertäre Staatschef auf seinen Besuch in Tucumán, wo 1816 die Unabhängigkeit des südamerikanischen Landes von Spanien ausgerufen wurde. Damit ging er der Blamage aus dem Weg, dort nur drei der 23 Provinzgouverneure zu treffen - im Vorjahr waren es noch 18, die zudem einen umfassenden Regierungspakt mit ihm unterzeichneten.
Noch deutlicher zeigte sich die zunehmende Isolation Mileis an sechs überraschend klaren Niederlagen, die er tags darauf im Parlament hinnehmen musste. Mit großer Mehrheit verabschiedete der Senat drei Anträge der peronistischen Mitte-Links-Opposition. Unter anderem wurde ein Behindertennotstandsgesetz und eine Rentenerhöhung von 7,2 Prozent beschlossen.
Die Senatorinnen und Senatoren brachten zudem zwei Gesetzesentwürfe auf den Weg, mit denen die Ausschüttungen aus bislang sieben Steuertöpfen an die Provinzen neu geregelt werden - bisher hatte Milei diese Mittel nach Gutdünken verteilt. Schließlich wurde die Bundesregierung aufgefordert, die zugesagten Gelder an Bahía Blanca freizugeben, das im März von einer Überschwemmung heimgesucht worden war. Nach den heftigsten Regenfällen in der Geschichte der Küstenstadt starben 18 Menschen, Tausende Menschen verloren ihr Hab und Gut.
Milei kündigte an, gegen all diese Beschlüsse sein Veto einzulegen, notfalls will er die Gerichte anrufen. Der Unmut über das autoritäre und oft hasserfüllte Auftreten des Kettensägen-Präsidenten nimmt zu. Den Dialog mit den Parlamentariern überlässt Milei erfahrenen Politikern wie seinem Innenminister Guillermo Francos. Im Internet und im Fernsehen beschimpft Milei Politiker oder Journalistinnen, bisweilen namentlich.
Bisher profitieren vor allem Unternehmen
In der Bevölkerung rumort es ebenfalls. Noch hoffen zwar viele, auch ärmere Menschen, dass sich durch den Staatsabbau und eine erfolgreiche Bekämpfung der Inflation mittelfristig ihre Lage verbessert. Doch bisher profitieren davon vor allem Unternehmen, die obere Mittelschicht und die ganz Reichen. Millionen von Menschen hingegen müssen ihre Ersparnisse opfern, um über die Runden zu kommen; die Armenküchen haben Hochbetrieb.
Mileis „Ministerium für Humankapital“ hatte im Juni den Rückgang der Armut von knapp 55 auf 31,7 Prozent innerhalb eines Jahres beziffert. Tatsächlich gebe es diese Tendenz wegen der sinkenden, bestätigt der Sozialwissenschaftler Agustín Salvia von der Katholischen Universität UCA. Allerdings messe die von der Regierung kontrollierte Statistikbehörde Indec jetzt nach anderen Kriterien. Salvia schätzt, dass derzeit rund 35 bis 37 Prozent der Argentinierinnen und Argentinier in Armut leben - für eine vierköpfige Familie sind das umgerechnet rund 750 Euro pro Monat.
Unterstützung vom US-Präsidenten Donald Trump
Unterstützt wird Milei von rechtspopulistischen Kollegen im Ausland wie US-Präsident Donald Trump oder Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Auch viele Medien im In- und Ausland verbreiten gezielt die Erfolgsmeldungen der Regierung. Im Internationalen Währungsfonds (IWF) setzte die US-Regierung unter Trump im April einen Kredit über 20 Milliarden US-Dollar durch, der Milei bei den Parlamentswahlen im Oktober zu Zuwächsen verhelfen soll, denn damit steht und fällt die Fortsetzung seiner extrem neoliberalen Agenda.
Durch die erneute Verschuldung kann Argentinien die chronisch knappen Währungsreserven der Zentralbank und die Zinszahlungen an den IWF fortsetzen, der Milei für „beeindruckende erste Fortschritte bei der Stabilisierung der Wirtschaft“ lobte. Allerdings ist die erneute Finanzspritze an Bedingungen gebunden. Zum Beispiel wurde verlangt, die Kapitalverkehrskontrollen aufzuheben, wodurch Firmen ihre Gewinne nun ins Ausland transferieren können.
Der argentinische Soziologe Alejandro Horowicz blickt pessimistisch in die Zukunft. „Die Nachfrage sinkt, kaum jemand investiert, die Wirtschaft fällt auseinander“, sagt er. Doch ob dadurch Mileis Regierungsprojekt bald ernsthaft in Gefahr gerät, sei nicht absehbar: „Der Anteil der Nichtwähler steigt rapide. Niemand kann sagen, wie die Wahlen im Oktober ausgehen.“