Second-Hand ist zu Weihnachten wieder gefragt
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Second-Hand ist zu Weihnachten wieder gefragt
Bielefeld (epd).

Anna Simon kommt immer mal wieder in die Brockensammlung im Bielefelder Stadtteil Gadderbaum. „Ich finde hier oft einzelne Stücke, die ich brauche“, sagt die 40-jährige Mutter. „Heute habe ich schon eine kleine Kommode fürs Wohnzimmer gekauft, ein Puzzle und Spielzeug zu Weihnachten.“ Nun schaut sie sich noch gebrauchte Kleidungsteile an: „Ich komme wegen der Nachhaltigkeit, und weil es preisgünstig ist.“

Jetzt zur Weihnachtszeit ist das Second-Hand-Kaufhaus stark gefragt. „Bis zu 600 Kundinnen und Kunden kommen pro Tag“, sagt die Leiterin Elfi Reuter-Korzonnek. Schon vor Einlass steht eine Schlange vor der Tür. Denn die Brockensammlung der von Bodelschwinghschen Stiftungen bietet ein riesiges Spektrum an Waren: „Wir haben natürlich Weihnachtsdekoration. Aber es gibt auch Waschmaschinen, Kleidung, Spielzeug, Haushaltswaren. Und sogar hochwertige Schmuckstücke und Uhren.“

Brockensammlung Bethel erhält bis zu 2,5 Tonnen Waren pro Tag

Die Waren werden von Bielefeldern gebracht, stammen aus Haushaltsauflösungen oder dem Nachlass von Verstorbenen. „Bis zu 2,5 Tonnen kommen pro Tag rein“, berichtet Elfi Reuter-Korzonnek. „Alles wird sortiert, zunächst gelagert und dann verkauft.“ Das alles erledigen auf 2.500 Quadratmetern mehr als 50 Mitarbeitende, von denen etwa ein Fünftel Menschen mit Einschränkungen sind.

„Allerdings etwas teurer geworden ist es schon. Das ist wie überall“, beklagt eine 70-jährige Rentnerin, die regelmäßig in die Brockensammlung kommt. Sie schaut sich gerade Blusen an, begutachtet mal diese und mal jene an ihrem Oberkörper: „Aber ich finde schon noch was.“

Wirtschaftliche Lage trifft auch Second-Hand-Läden

Die wirtschaftliche Lage trifft auch die Second-Hand-Geschäfte und Sozialkaufhäuser. „Die Umsätze steigen nicht mehr so stark wie früher“, erklärt Claudio Vendramin von der Recyclingbörse Herford, die in acht Niederlassungen rund um die ostwestfälische Stadt rund 170 Menschen beschäftigt. Viele von ihnen werden über Maßnahmen der Jobcenter gefördert.

1984 hat Vendramin die Recyclingbörse mit anderen Mitstreitern gegründet. „Bis etwa 2015 wuchs das Geschäft mit Second-Hand-Waren stark. Manchmal um 10 bis 15 Prozent im Jahr“, sagt der 66-Jährige. „Das ist nicht mehr ganz so. Die Menschen schauen zweimal aufs Geld, sind sparsam geworden.“

Konkurrenz von großen Billig-Shops

Gleichzeitig machen auch diesen Betrieben die allgemein gestiegenen Kosten für Energie und Personal zu schaffen. Und darüber hinaus wächst die Konkurrenz großer Billig-Shops.

„Allerdings jetzt zu Weihnachten wird der Zulauf wieder größer“, ergänzt Gerd Borchers, der vor vier Jahrzehnten den Verein „Zentrallager“ in Minden mitgegründet hat. Etwa 70 Menschen arbeiten hier. „Zu uns kommen Leute, die wenig Geld haben, oder Studierende. Aber es kommen auch welche mit dem Porsche vorgefahren, die ein Schnäppchen suchen.“

Auch das Zentrallager bietet eine breite Palette von Büchern, Bildern, Möbeln, Kleidern, Geschirr, Fahrrädern oder Elektrogeräten. „Und nun zu Weihnachten haben wir natürlich auch Weihnachtsdekoration und viele Weihnachtsartikel.“

Handelsverband: Hohes Maß an Unsicherheit führt zu Second-Hand-Trend

Dass der Trend zu Second-Hand-Ware zur Weihnachtszeit zunimmt, bestätigt auch eine Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE), für die das Marktforschungsinstitut Appinio insgesamt 1.000 Menschen befragte. 39 Prozent der Deutschen hätten schon mal ein Second-Hand-Geschenk zu Weihnachten verschenkt, 53 Prozent könnten sich das in diesem Jahr vorstellen.

"Die pessimistische Verbraucherstimmung und ein hohes Maß an Unsicherheit lassen die Verbraucher noch stärker als sonst bei Second Hand-Waren zugreifen. Die Menschen sind noch preisbewusster als sie das normalerweise sind.

Verband: Wiederverwertung stärker fördern

Dazu komme, dass Second Hand-Geschenke für viele Kunden mittlerweile als etwas Normales angesehen werden - ohne falsche Scham, erklärt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Auf die Frage, ob Second Hand in den nächsten fünf Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird, antworteten 83 Prozent der Befragten mit einem klaren „Ja“.

Gerade darauf müsse auch die Politik reagieren, sagt Claudio Vendramin, der sich mit 30 anderen Second-Hand-Betrieben zum Verein „Re-Use Deutschland“ zusammengeschlossen hat. Sie fordern, dass die Wiederverwertung noch viel stärker gefördert werden müsse. „Zum Beispiel Elektrogeräte müssten sehr viel stärker weitergenutzt werden. Da sind wir in Deutschland überhaupt nicht gut.“

Von Uwe Pollmann (epd)