Armutsbericht des Paritätischen: Heilsarmee verweist auf Obdachlose
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Obdachlos
Köln, Düsseldorf (epd).

Die Heilsarmee kritisiert die fehlende Berücksichtigung von Obdachlosen in dem Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes. Die Nichtberücksichtigung von Obdachlosen sei eine „Schwachstelle“ des jüngst veröffentlichten Berichts, erklärte die Heilsarmee in Köln. Die Zahl der Armutsbetroffenen liege somit tatsächlich höher, als sie im Bericht beziffert werde.

Der Anteil der Armutsbetroffenen in Deutschland ist laut dem Paritätischen Gesamtverband jüngst wieder gewachsen. Nach einem Rückgang seit 2020 gab es 2024 erneut einen Anstieg um 1,1 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent, wie es im neuen Armutsbericht des Verbands heißt. Er sieht Armutsbetroffene durch die hohe Inflation der vergangenen Jahre und gestiegene Wohnkosten besonders belastet.

Die Quote von 15,5 Prozent entspricht rund 13 Millionen armutsbetroffenen Menschen. Frauen sind rechnerisch häufiger arm als Männer, auch junge Erwachsene und Menschen über 65 sind stärker betroffen als der Durchschnitt. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind nach wie vor groß: Die höchste Armutsquote weist laut dem Bericht Bremen auf mit 25,9 Prozent. Nordrhein-Westfalen liegt mit 17,4 Prozent an von Armut betroffenen Menschen im oberen Mittelfeld. In Bayern war die Quote mit 11,8 Prozent besonders niedrig.

Nach Ansicht der Heilsarmee muss die Zahl Armutsbetroffener deutlich höher beziffert werden, da wohnungslose Menschen von der Statistik nicht erfasst werden. Bei der Berechnung der Armutsquoten durch das Statistische Bundesamt würden nämlich nur Personen gezählt, die in Haushalten leben. Wohnungslose Menschen würden dagegen nicht erfasst, unterstrich die Heilsarmee, die sich mit mobilen Einsatzwagen an Menschen richtet, die draußen übernachten müssen oder als Wohnungslose bei Bekannten oder Freunden unterkommen. Die Heilsarmee in Deutschland ist eine evangelische Freikirche mit diakonischer Ausrichtung und ist in 30 deutschen Städten präsent.

Als arm werden Menschen in einem Haushalt eingestuft, der weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens aller Haushalte in Deutschland zur Verfügung hat. 2024 lag die Grenze bei 1.381 Euro im Monat für einen alleinlebenden Menschen. Zum Einkommen gehören dabei unter anderem Löhne, Wohngeld, Kindergeld und andere Sozialleistungen. Die vom Paritätischen ausgewerteten Grunddaten stammen vom Statistischen Bundesamt. Laut dem Verband sorgte die hohe Inflation dafür, dass arme Menschen in den vergangenen Jahren noch ärmer wurden. Das mittlere Einkommen von Menschen unterhalb der Armutsgrenze habe im Jahr 2020 bei 981 Euro im Monat gelegen - 2024 seien es preisbereinigt nur noch 921 Euro gewesen.

Als eine besondere Belastung für arme Haushalte identifiziert der Bericht des Paritätischen auch die Wohnkosten. 37 Prozent müssen demnach mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für Wohnkosten ausgeben. Bei 25 Prozent der armen Haushalte verschlingen die Wohnkosten sogar mehr als die Hälfte des Nettoeinkommens.

Heike Moerland von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) betonte, die Instrumente des Sozialstaats müssten effektiv eingesetzt werden, um einem weiteren Auseinanderdriften von Arm und Reich entgegenzuwirken. Die künftige Bundesregierung müsse den Sozialstaat gerecht gestalten, forderte sie. Mittel aus dem „Sondervermögen Infrastruktur“ sollten für die soziale Infrastruktur eingesetzt werden. Die Diakonie RWL schlug zudem die Schaffung eines sozial-ökologischen Existenzminimums vor, um soziale Teilhabe und die Klimaziele gleichermaßen im Blick zu behalten.